DER BETRIEB
Kryptische Bilanzierung von Kryptowährungen

Kryptische Bilanzierung von Kryptowährungen

WP/StB/CPA Prof. Dr. Rüdiger Loitz

Obwohl Kryptowährungen von Unternehmen und Finanzbehörden vielfach als Zahlungsmittel anerkannt werden, passen sie nicht in die Zahlungsmitteldefinition der IFRS. Das IASB wird darüber nachdenken müssen, wie sehr moderne Finanzinstrumente künftig in die Rechnungslegungsstandards passen, ohne den Blick für die Realität zu verlieren.

WP/StB/CPA Prof. Dr. Rüdiger Loitz
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Kryptowährungen sind in aller Munde. Ist es lediglich die Magie, die verströmt wird, indem für viele Außenstehende augenscheinlich aus dem Nichts „Geld“ geschaffen wird? Hinzu kommt, dass ewig findige Investoren auf den Trichter gekommen sind, eine spezielle Kryptowährung, den Bitcoin, zum Zentrum ihrer Spekulationen zu machen. Außenstehende könnten sogar den Eindruck bekommen, dass man im Gegensatz zu den fast aussterbenden Spielbanken, in denen noch eine physische Präsenz notwendig ist, sehr einfach in einem virtuellen Raum und per Mausklick/Chatbot ganz schnell reich werden könnte. Ernst zu nehmen ist das Thema in jedem Fall, betrug die Marktkapitalisierung des Bitcoin Mitte November 2018 immerhin 98 Mrd. €, Mitte Dezember 2017 schon mal 280 Mrd. €, an nur einem Tag werden Bitcoins im Wert von 2-3 Mrd. € gehandelt. Manche unken zwar bereits, dass bei einem aktuellen Wert im Dezember von ca. 3.600 € bereits der Zenit der Währung überschritten ist, aber es wird noch weitere künstliche Währungen in der Zukunft geben.

Die Schöpfung und Nutzung von Bitcoins auf dezentraler Basis ist recht sicher, für eine Disruption des Gesamtsystems müssten wohl alle Endgeräte angegriffen werden. Jeder Teilnehmer an dem Transaktionsverkehr mit Bitcoins erhält ein elektronisches Wallet mit „personal und public keys“, die eine Transaktion erlauben. Der Bitcoin, wie einige andere Kryptowährungen, ist ein digitales Zahlungsmittel und hat damit keine physische Substanz. Es gibt kein Backup, wie z.B. Gold. Eine Begrenzung liegt bei Bitcoins vor, bei Ether schon nicht mehr. Kryptowährungen unterscheiden sich in dieser Hinsicht. In ICOs werden Bitcoins in erheblicher Höhe eingeworben, dafür erhalten die Investoren Rechte auf Zinsen, Gewinne, Zugang zu Produkten und Dienstleistungen usw. (sog. Token). Dem folgt eine extreme Ausweitung der Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen, die nicht den aufwendigen Gang eines going public benötigen und auf eine nahezu unbegrenzte Anzahl potenzieller Finanzierungsgeber stoßen.

Bitcoin kein Zahlungsmittel/-äquivalent nach IFRS

All diese Überlegungen machen es wohl notwendig, mit dem harten Blick eines Accountants unter die Motorhaube der „klassischen“ Kryptowährungen zu schauen. Die nicht unmaßgebliche Frage kommt auf, in welcher Weise sie in der Finanzberichterstattung, die derzeit noch in irgendeiner Art und Weise Vertrauen auf die Aktionen von Unternehmen schaffen soll, abzubilden ist. Die bisherigen Erläuterungen zeigen zumindest, dass für Kryptowährungen, wie den Bitcoin, die grundlegenden Eigenschaften für einen Vermögenswert nach IFRS gegeben sein sollten. Selbiges gilt für die erwähnten Tokens bei ICOs. Während für die Tokens klarer ist, dass diese Krypto-Assets in IFRS 9, IAS 32 und ggf. auch IFRS 15 einzureihen sind, ist dies für die eigentlichen Bitcoins weniger klar. Auf den ersten Blick erscheint jedem vielleicht der Bitcoin als Zahlungsmitteläquivalent. Der Bitcoin erfüllt das in IAS 32.AG3 geforderte Austauschkriterium. Er dient als Tausch- bzw. Zahlungsmittel für bestimmte Transaktionen, eine direkte Preisfestlegung für Güter oder Dienstleistungen ist allerdings nicht gegeben. In der Zwischenzeit wird der Bitcoin dennoch von vielen, insb. US-Unternehmen akzeptiert. Eine Analyse in den USA zeigt sogar, dass der Bitcoin unter den Top 500 Zahlungsmitteln liegt. Allerdings ist sicher keine Sparfunktion für den Bitcoin vorhanden. Eine Einzahlung bei einer Bank führt nicht zu einem Guthaben. Eine Umwandlung in Euro erfolgt über Internettauschbörsen. Ob es überhaupt eine ausreichende Liquidität am Markt gibt, entscheidet sich eher situativ. Von dem up-and-down an den Märkten berichten die Zeitungen täglich. Die Wertschwankungen sind massiv. Somit sind die Voraussetzungen für ein Zahlungsmittel/-äquivalent i.S.d. IAS 7.6 und IAS 32.AG3 derzeit keinesfalls gegeben.

Unterhaltend wirkt hierbei, dass die US-Finanzverwaltung den Bitcoin derzeit als Vermögen betrachtet, d.h., bei Zahlung einer Tasse Kaffee mit Bitcoins fällt eine Kapitalgewinnsteuer an. Einige Bundesstaaten möchten es zulassen, dass bspw. Steuerverpflichtungen mit Bitcoins bezahlt werden können und damit wäre der Bitcoin ein Zahlungsmittel für die US-Finanzverwaltungen. Zudem betrachtet die deutsche Finanzverwaltung den Bitcoin bereits jetzt mit Hinweis auf ein Urteil zur Umsatzsteuer explizit als gesetzliches Zahlungsmittel, wenn es als solches verwendet wird. Ansonsten handelt es sich um immaterielle Vermögenswerte, auf die keine Spekulationssteuern mehr anfallen würden, wenn ein Jahr nach der Transaktion vergangen ist. Noch unterhaltender wirkt, dass Börsenbetreiber, die Bitcoins im eigenen Namen vermitteln, im Gegensatz zu allen anderen Leistenden an der Börse steuerbefreit sind. Ein aktuelles Urteil des Kammergerichts Berlin vom 25.09.2018 (Az.: 161 Ss 28/18) stellt heraus, dass der Bitcoin weder Rechnungseinheit, noch Finanzinstrument gem. KWG ist, entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis der BaFin. Die Schlussfolgerung hieraus ist, dass in Sachen „offizielles“ Zahlungsmittel Bitcoin bei weitem nicht das letzte Wort gesprochen ist. Dies gilt allerdings nicht nach den derzeitigen IFRS-Regeln, die das auf und ab einfach nicht akzeptieren wollen.

Ein Finanzinstrument i.S.d. IFRS 9 ist es nicht, da kein vertragliches Recht oder ein Anspruch auf Geld begründet wird. Ein Residual i.S.d. Eigenkapitals kommt gleichermaßen nicht in Frage, da kein Anspruch gegen ein Unternehmen besteht. Ein materieller Vermögenswert fällt natürlich aufgrund fehlender Materialität weg. Im Vorratsbereich könnte IAS 2 einschlägig sein. Eine wie an den Börsen gehandelte, standardisierte Ware, die im normalen Geschäft für den Kauf-/Verkauf dient und kurzfristigen Preisänderungen unterliegt, käme in Betracht. Hier wäre eine Marktbewertung abzüglich Veräußerungskosten lediglich nach IAS 2.3 (b) notwendig, wenn es sich bei dem Bewertenden um einen Warenmakler handelt. Bei den meisten Unternehmen wird aber zumindest in Deutschland der Bitcoin nicht als Handelsware im laufenden Geschäft stehen, noch nicht. Für die Bitcoin Internet-Tauschbörsen könnte IAS 2 passen, dann führt dies sofort zu einer Zeitbewertung, die im Grunde sachgemäß ist.

Der für immaterielle Vermögenswerte einschlägige IAS 38 dürfte am ehesten passen. Kryptowährungen sind aufgrund ihrer Separierbarkeit identifizierbar, sie sind nicht monetäre Vermögenswerte. Einen Pferdefuß hat die Sache allerdings, und das trifft für die obigen Analysen gleichermaßen zu. Der Ansatz in der Bilanz ist eine Sache, aber wo wird dies in der GuV oder alternativ im Eigenkapital gezeigt? Nach IAS 38.75 wäre nämlich eine Zeitbewertung mit dem grundsätzlichen Einstellen der positiven Wertschwankungen im OCI, negativen in der GuV, nur zulässig, wenn ein aktiver Markt unterstellt wird. Ansonsten gelten die allgemeinen Regelungen für die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten, d.h. zu fortgeführten Anschaffungskosten, deren Anwendung einer solchen Währung kaum gerecht werden.

Herausforderungen bei der bilanziellen Abbildung digitaler Megatrends

Man sieht an der Analyse, dass es nicht ganz so trivial ist, die modernen Instrumente der digitalen Finanzierung in das bestehende Gerüst der IFRS zu „quetschen“. Bei der Entwicklung der Standards konnte natürlich mit den Neuerungen keiner rechnen. Damit wird das Rahmenwerk der IFRS einmal mehr auf die Probe gestellt, insb. ob es tauglich ist, den Megatrend der Digitalisierung zukunftsorientiert aufzufangen. Die Diskussion um Kryptowährungen und ICOs hat gerade erst begonnen. Das IASB veröffentlicht hierzu seit Juli 2018 ein Paper nach dem anderen. Die Blockchain, KI oder Cloud-Entwicklungen werden weitere Anforderungen an die IFRS stellen und sollten künftig weniger kryptisch erscheinen, als dies derzeit scheint.