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Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung: Das Ende der „Fallschirmlösung“ – oder auch nicht?!

Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung: Das Ende der „Fallschirmlösung“ – oder auch nicht?!

RA/FAArbR Dr. Alexander Bissels, Partner, CMS Hasche Sigle, Köln

Das LAG Baden-Württemberg sorgt für immer mehr Unruhe, was die sog. „Fallschirmlösung“ angeht: Fingiertes Arbeitsverhältnis trotz Verleiherlaubnis (so die 4. Kammer im Urteil vom 03.12.2014 – 4 Sa 41/14) und dann doch wieder nicht (3. Kammer im Urteil vom 18.12.2014 – 3 Sa 33/14).

Bislang konnten sich Dienstleister darauf verlassen, dass sie die regulativen Wirkungen des AÜG, insbesondere die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses gem. § 10 Abs. 1 AÜG, vermeiden können, wenn sie mit einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis „im Gepäck“ Werk-/Dienstverträge mit ihren Kunden abschließen, sich diese im Nachhinein aber als eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung herausstellen. Gerade in Grenzbereichen, in denen nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen ist, ob noch ein Werk-/Dienstvertrag oder schon eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, konnte sich der Auftragnehmer durch eine vorsorgliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis – mehr oder weniger – „freizeichnen“.

Die 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg sagt hü . . .

Diese sog. Fallschirmlösung hat auf Grundlage einer aktuellen Entscheidung der 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg erste Risse bekommen (Urteil vom 03.12.2014 – 4 Sa 41/14). Das Gericht stellte fest, dass es ein widersprüchliches Verhalten sowohl der Dienstleister als auch des beklagten Kundenunternehmens darstelle, sich bei einem an sich vereinbarten Werkvertrag nunmehr auf ein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis bei bestehender (Vorrats-)Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu berufen. Es gelte ein Arbeitsvertrag zwischen dem „Zeitarbeitnehmer“ und dem Kundenunternehmen als zustande gekommen (dazu: Zimmermann, Arbeitnehmerüberlassung: Das Ende der „Fallschirmlösung“?, Rechtsboard vom 10.12.2014).

. . . die 3. Kammer sagt hott

Abweichend hat inzwischen die 3. Kammer des LAG Baden-Württemberg entschieden (Urteil vom 18.12.2014 – 3 Sa 33/14): Der klagende Arbeitnehmer schloss mit dessen Arbeitgeber zunächst einen Arbeitsvertrag, nach dem er ab 01.01.2009 als Versuchstechniker tätig werden sollte. Das Unternehmen, das seit dem Jahr 2005 über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt, setzte den Kläger ab Vertragsbeginn durchgehend – zunächst auf Grundlage eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages – bei einem süddeutschen Automobilhersteller ein. Für das Jahr 2013 wurde ein Werkvertrag geschlossen. Der Kläger macht nun geltend, er befinde sich in einem Arbeitsverhältnis zu dem Automobilhersteller. Der Werkvertrag habe seine bisherigen, im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung durchgeführten Aufgaben zum Inhalt. Es handle sich um einen Scheinwerkvertrag. Dies führe nach § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG in direkter oder analoger Anwendung zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien. Der Automobilhersteller begehe auch einen institutionellen Rechtsmissbrauch.

Dieser Argumentation ist die 3. Kammer des LAG Baden-Württemberg zu Recht nicht gefolgt. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG zu den Rechtsfolgen einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung (vgl. BAG vom 10.12.2013 – 9 AZR 51/13, DB 2014 S. 548) scheitere die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien daran, dass der Vertragsarbeitgeber der Klägers im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis sei. Eine entsprechende Anwendung des § 10 AÜG scheide aus, da die Voraussetzungen für eine Analogie nicht gegeben seien. Auch aus § 242 BGB lasse sich die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge nicht herleiten.

Was wird aus der „Fallschirmlösung“?

Bislang liegt (auch) zu der Entscheidung der 3. Kammer des LAG Baden-Württemberg nur eine Pressemitteilung vor. Auf die Gründe darf man, insbesondere aufgrund des abweichenden Urteils der 4. Kammer, gespannt sein. Letztlich wird erst das BAG die Frage abschließend klären, ob und inwieweit der „Fallschirm“ einer Vorratsüberlassungserlaubnis gegenwärtig noch zu tragen vermag. Die divergierenden Entscheidungen aus dem „Ländle“ bieten insbesondere aufgrund der nunmehr eingetretenen Rechtsunsicherheit bereits jetzt (und damit vor einer sich ankündigenden gesetzlichen Regelung) Anlass zur Sorge – zumindest aus der Sicht von Dienstleistern, die auf Grundlage einer Vorratserlaubnis im „Schnittstellenbereich“ von Arbeitnehmerüberlassung und Werk-/Dienstvertrag tätig sind.

Praxishinweise

Diesen Unternehmen ist zu empfehlen, die Prozesse und Arbeitsweisen (nochmals) einer gründlichen rechtlichen Überprüfung zu unterziehen, um – je nach Ergebnis – den richtigen Vertragstyp zu wählen. Mit Blick auf ein möglicherweise bereits in der Vergangenheit zum Kundenunternehmen über die Fiktionswirkung nach § 10 Abs. 1 AÜG entstandenes Arbeitsverhältnis ist es aber nicht ausreichend, lediglich die entsprechenden Vereinbarungen mit dem Dienstleister anzupassen. Im Zweifel bedarf es auch eines gesonderten Beendigungstatbestandes zwischen dem Arbeitnehmer und dem Kunden (vorsorgliche Kündigung oder Abschluss eines Aufhebungsvertrages). Dann ist aber zu befürchten, dass „schlafende Hunde erst geweckt“ werden, sodass dieser Schritt gut überlegt sein will.