DER BETRIEB
Ein gutes Gesetz für die betriebliche Altersversorgung

Ein gutes Gesetz für die betriebliche Altersversorgung

Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M. (Harvard)

Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M. (Harvard)
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Am Ende hat es dann doch geklappt. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) kommt. Gut so. Die Koalition ist einen wichtigen Schritt zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) gegangen. Man stritt sich zum Schluss vor allem darum, ob denn externe Träger Garantien geben können, auch wenn der Arbeitgeber sie nicht gibt – oder ob es eine Kongruenz der Unverbindlichkeit geben muss: Ebenso wie der Arbeitgeber darf auch der Versicherer keine Mindestrente versprechen. Die Koalition hat sich nun für das Garantieverbot entschieden. Systematisch zwingend war das nicht und man kann gute Gründe dagegen anführen. Aber vertretbar ist diese Entscheidung allemal – und wenn sie der Preis dafür ist, dass das Gesetz überhaupt zustande kommt, dann ist es richtig.

Betriebsrente wird attraktiver

Denn die wesentlichen Neuerungen liegen woanders. Da ist der obligatorische Arbeitgeberzuschuss, der auf den letzten Metern noch hineingekommen ist: Nun ist die reine Beitragszusage möglich, bei der der Arbeitgeber keine Leistung verspricht, sondern nur Beiträge zur Finanzierung der Leistung eines Dritten. Das ist eine maßgebliche Erweiterung des BetrAVG, die schon vielfach gefordert wurde und den Anschluss an internationale Entwicklungen sichert (grundlegend: Roth, Private Altersvorsorge, 2009). Das ist aber nur auf Grundlage eines Tarifvertrags möglich. Und der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, mindestens 15% des umgewandelten sozialversicherungsfreien Entgelts als Zuschuss an die Versorgungseinrichtung einzuzahlen. Und auch bei der Entgeltumwandlung wird der Arbeitgeber – anders als bisher – künftig verpflichtet, den von ihm ersparten Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen pauschaliert an die durchführende Versorgungseinrichtung weiterzuleiten (freilich nicht bei Direkt- und Unterstützungskassenzusagen). Anders als der gesetzlich verpflichtende Arbeitgeberzuschuss bei einer reinen Beitragszusage ist aber dieser Zuschuss tarifdispositiv – wobei nicht so recht einleuchtet, warum (zum Sinn von Tarifdispositivität: Thüsing/Braun, Tarifrecht, 2. Aufl., 2016 S. 43 ff.).

Und auch durch staatliche Förderung erhält die bAV Rückenwind: Die Doppelverbeitragung wird ein weiteres Stück zurückgefahren. Der Förderrahmen in § 3 Nr. 63 EStG wird zwar von 4% auf 8% der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (West) erweitert und der Zusatzbetrag von 1.800 € fällt im Gegenzug weg. Die Sozialversicherungsfreiheit verbleibt hingegen bei 4% der Beitragsbemessungsgrenze (§ 1 Satz 1 Nr. 9 SvEV). Das macht es administrativ einfacher. In der Grundsicherung im Alter und bei der Erwerbsminderung wird eine Freibetragsregelung in Form eines Sockelbetrags geschaffen.

Rechtsfragen bleiben ungeklärt

Rechtsfragen freilich verbleiben. Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass Versorgungstarifverträge nach dem BRSG unter den erleichterten Voraussetzungen des § 5 Abs. 1a TVG für allgemeinverbindlich erklärt werden können (BT-Drucks. 18/11286 S. 31). Das erscheint mir zweifelhaft. Denn bei einem kapitalbasierten System, in dem jeder Berechtigte über ein individuelles Rentenkonto verfügt, ist die Allgemeinverbindlicherklärung wohl niemals zur „Sicherung der Funktionsfähigkeit“ der gemeinsamen Einrichtung erforderlich (§ 5 Abs. 1a TVG). Wenn man da nicht nachbessert, läuft man möglicherweise in dasselbe Problem wie bei der SOKA-Bau – nämlich die Beitragszahlungen über Jahre hinweg rückabwickeln zu müssen, weil die Allgemeinverbindlicherklärungen unwirksam waren (vgl. Thüsing, NZA 2017 Beil. 1 S. 1).

Verfassungsrechtliche Zweifel sind unbegründet

Dennoch: Gut also, dass es ein solches Gesetz nun gibt. Das sehen freilich nicht alle so. Zur abschließenden Bundestagsberatung lässt sich SoVD-Präsident Bauer zitieren: „Das Betriebsrentenstärkungsgesetz schwächt die Ansprüche der Arbeitnehmer aus der gesetzlichen Rente“. Das ist grober Unfug im engsten Sinne des Wortes. Denn die Ansprüche der gesetzlichen Rente werden hiervon nur in Sonderfällen, und dann auch nur marginal berührt. Vielmehr wird eine weitere kapitalgestützte Säule der Alterssicherung gestärkt. Deshalb ist auch nicht nachvollziehbar, wieso etwa die Sachverständige Wallrabenstein in der Ausschussanhörung wiederholt ihre Sorge formulierte, hierdurch werde die Flucht aus der gesetzlichen Rente forciert – eine Bemerkung, die allgemeines Kopfschütteln auch unter Wohlgesonnenen verursache (Protokoll 18/110 S. 1816). Wer hier eine verfassungswidrige Privilegierung der privaten Altersvorsorge gegenüber der gesetzlichen Rente behauptet, der versucht mit der Keule der Verfassungswidrigkeit zu erschlagen, was ihm rechtspolitisch missfällt.

Es gibt noch viel zu tun

Vielmehr gilt: Wer die Alterssicherung zukunftsfest machen will, kann diese Last nicht allein der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung oktroyieren. Er muss die private Initiative durch kluges Nudging fördern. Und er muss auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die, die länger arbeiten wollen, auch länger arbeiten können – und darf keine Anreize zur Frühverrentung setzen. Die Rente für besonders langjährige Versicherte war ein Sündenfall, der von vielen schon bereut wird, sieht man doch, dass hierdurch der Facharbeitermangel noch einmal verschärft wird. Der in dieser Legislaturperiode neu geschaffene § 43 Satz 3 SGB VI, der die befristete Weiterbeschäftigung nach der Regelaltersgrenze erleichtern sollte, trägt das Menetekel der Verfassungswidrigkeit (s. jüngst die Vorlage des LAG Bremen vom 23.11.2016 – 3 Sa 78/16). Die Arbeit wird dem Gesetzgeber nicht ausgehen. Hoffen wir auf die nächste Legislaturperiode. Stillstand ist Rückschritt.