DER BETRIEB
Steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung – Besser spät als nie!

Steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung – Besser spät als nie!

Prof. Dr. Wolfgang Kessler / Dominik Probst, M.Sc.

Die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung ist wieder in den Fokus der Politik gelangt. Als eines von zwei EU-Ländern verzichtet Deutschland momentan noch auf eine Förderung. Zwei Varianten werden derzeit diskutiert, flankierende Maßnahmen sind aber darüber hinaus erforderlich.

Prof. Dr. Wolfgang Kessler
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Dominik Probst, M.Sc.
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Die Debatte um eine potenzielle steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung (F&E) hat in jüngster Vergangenheit wieder an Aufmerksamkeit gewonnen. Unter F&E wird nach der allgemein anerkannten Definition der OECD die schöpferische und systematische Arbeit zur Vergrößerung des Wissensstandes und zur Entwicklung neuer Anwendungen basierend auf dem vorhandenen Wissen verstanden. Deutschland ist eines der wenigen Länder, das noch vollständig auf eine steuerliche Förderung von F&E verzichtet: Im Jahr 2015 wurde F&E in 28 der 35 OECD-Staaten steuerlich gefördert; in der EU sogar in allen Ländern bis auf Deutschland und Estland.

Nachdem trotz der Aufnahme in den Koalitionsvertrag 2009 bisher keine steuerliche Förderung von F&E geschaffen wurde, deuten die neuesten Entwicklungen die mögliche Einführung einer solchen Regelung an. So stimmte der Bundestag am 23. März dieses Jahres einem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zu, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, „ein Konzept für eine steuerliche Forschungsförderung vorzulegen“. Dieser Antrag geht wohl nicht zuletzt auf eine entsprechende Empfehlung der Expertenkommission F&E im Rahmen des Gutachtens zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vom 15.02.2017 zurück.

Status quo

In Deutschland existiert bisher ausschließlich eine direkte (also nicht-steuerliche) Förderung von F&E. Als Vorteil dieser Fördervariante wird die Lenkungsmöglichkeit angeführt. Im Wege der direkten Förderung lassen sich gezielt diejenigen Projekte finanziell unterstützen, die gesamtwirtschaftlich sinnvoll sind, ohne entsprechende Förderung jedoch nicht realisiert werden würden.

Allerdings weist die direkte F&E-Förderung erhebliche Nachteile auf: Die bürokratischen Hürden der Erlangung einer direkten Förderung sind hoch. Außerdem ist ihre Breitenwirkung gering, da im Wege der direkten Förderung nur einzelne Projekte gefördert werden. Zudem ist fraglich, ob die Institutionen, die über die Förderung entscheiden, tatsächlich in der Lage sind, den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der jeweiligen Projekte zutreffend einzuschätzen.

Ebenfalls problematisch ist, dass in Deutschland einige die direkte F&E-Förderung konterkarierende steuerliche Regelungen bestehen, welche die Attraktivität des Forschungsstandorts Deutschland einschränken. Zu nennen sind etwa die Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c KStG, die Mindestbesteuerung nach § 10d EStG, die Zinsschranke nach § 4h EStG bzw. § 8a KStG und die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG.

Förderungsbedarf

F&E-Tätigkeiten bedingen positive externe Effekte. Mithin liegt die Summe der privatwirtschaftlich optimalen F&E-Tätigkeit unter dem gesamtwirtschaftlichen Optimum. Die staatliche Förderung von F&E – ob direkt oder indirekt – ist daher ökonomisch gerechtfertigt. Explizit für eine steuerliche und somit indirekte F&E-Förderung spricht ferner der internationale Standortwettbewerb.

Empirische Untersuchungen zeigen zudem, dass eine Senkung der F&E-Kosten zu einem überproportionalen Anstieg der F&E-Aufwendungen führt. In besonderem Maße auf die Einführung einer steuerlichen F&E-Förderung reagieren KMU. Für diese ist der positive Effekt deutlich höher als für Großunternehmen. Die Einführung einer steuerlichen F&E-Förderung ist mithin sowohl aus ökonomisch-theoretischen Gesichtspunkten als auch angesichts der empirischen Evidenz der positiven Effekte wünschenswert.

Empfehlung

Die Expertenkommission F&E schlägt in ihrem Gutachten zwei Varianten der steuerlichen Förderung von F&E vor:

  • die Steuergutschrift auf alle F&E-Aufwendungen (Variante 1) und

  • die Steuergutschrift auf F&E-Personalaufwendungen (Variante 2).

Als großer Vorteil der zweiten Variante wird angebracht, dass eine Verrechnung mit der monatlich abzuführenden Lohnsteuer erfolgen könne, sodass für die Unternehmen ein unmittelbarer Liquiditätsvorteil entstehe. In Variante 1 ergebe sich der Liquiditätszufluss dagegen erst mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids und somit regelmäßig erst nach zwei Jahren. Zudem sei die Höhe der Lohnsteuer weniger volatil als die Höhe der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer.

Die Vorzüge einer Verrechnung mit der Lohnsteuer leuchten ein. Allerdings ist nicht ersichtlich, warum in Variante 1 nicht ebenfalls eine Verrechnung mit der Lohnsteuer möglich sein sollte. Wie die Expertenkommission zutreffend herausgearbeitet hat, weist Variante 1 den Vorteil auf, dass keine Verzerrungen zwischen den verschiedenen F&E-Aufwendungen auftreten. Unseres Erachtens ist daher die Steuergutschrift auf alle F&E-Aufwendungen klar vorzugswürdig. Die Verrechnung sollte dabei ebenfalls direkt mit der Lohnsteuer erfolgen. Zwar reagieren KMU in größerem Ausmaß auf die steuerliche F&E-Förderung, in Anbetracht des internationalen Standortwettbewerbs ist eine Beschränkung der Förderung auf bestimmte Unternehmensgruppen jedoch nicht zu empfehlen.

Flankierend sollte über Maßnahmen zur Entschärfung der oben genannten nachteiligen Steuervorschriften nachgedacht werden. Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist die Einführung des § 8d KStG, mit dem die schädliche Wirkung des § 8c KStG teilweise entschärft werden soll. Insoweit besteht allerdings dringender Nachbesserungsbedarf, denn § 8d KStG ist aufgrund seiner zahlreichen und äußerst restriktiven Voraussetzungen und Einschränkungen kaum praktikabel. Im Hinblick auf die Zinsschranke sollte eine Ausnahmeregelung für F&E-Finanzierungen eingefügt werden. Gleiches gilt für Verlustvorträge aus F&E-Aufwendungen hinsichtlich der Anwendung der Mindestbesteuerung. Darüber hinaus sollten Rechte, die im Rahmen von F&E-Tätigkeiten benötigt werden, von der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG ausgenommen werden.