DER BETRIEB
Zur Zukunft der Abgeltungsteuer: Worauf es ankommt

Zur Zukunft der Abgeltungsteuer: Worauf es ankommt

StB Dr. Hartmut Schwab

Vor dem Hintergrund des automatischen Datenaustauschs wird gefordert, die Abgeltungsteuer abzuschaffen und die Besteuerung der Kapitalerträge in die synthetische Einkommensbesteuerung einzugliedern. Nach Ansicht der Bundessteuerberaterkammer kann dies nicht ohne begleitende Maßnahmen geschehen.

StB Dr. Hartmut Schwab
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Warum kam es zur Abgeltungsteuer?

Die Abgeltungsteuer ist eine relativ neue Erscheinung im deutschen Steuersystem. Eingeführt wurde sie durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 mit Geltung ab dem 01.01.2009. Bei ihr handelt es sich um einen Quellensteuerabzug auf Kapitaleinkünfte und damit um eine besondere Form der Einkommensteuer. Entscheidend ist, dass dieser Abzug an der Quelle dem einheitlichen Steuersatz von 25% unterliegt und definitiv ausgestaltet ist, d.h. es erfolgt grundsätzlich keine Anrechnung auf andere Einkünfte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung.

Mit der Einführung der Abgeltungsteuer wurde insbesondere das Ziel verfolgt, das Interesse privater Anleger zu vermindern, ihr Kapital aus steuerlichen Gründen ins Ausland zu verlagern. Außerdem war vielfach erhofft worden, dass die Abgeltungsteuer zu einer Vereinfachung der Besteuerung führen würde. Dies hat sich in der Gesamtschau jedoch nicht bewahrheitet. In Fällen, in denen außersteuerliche Rechtsnormen am Begriff der Einkünfte anknüpfen (z.B. BAföG, Unterhaltszahlungen usw.) müssen die Kapitaleinkünfte heute vielmehr gesondert ermittelt werden. Außerdem werden Kapitaleinkünfte noch in der Veranlagung deklariert, um im Wege der Günstigerprüfung zur Anwendung eines niedrigeren persönlichen Steuersatzes zu kommen oder um solche Einkünfte zu erfassen, die nicht der Abgeltungsteuer unterlegen haben.

Die Abgeltungsteuer als Systembruch

In der deutschen Einkommensbesteuerung stellt die Abgeltungsteuer einen Systembruch dar, der zwangsläufig zu Folgeproblemen führt. Steuersystematisch wäre daher aus Sicht der Bundessteuerberaterkammer eine Rückkehr zur synthetischen Einkommensteuer zu begrüßen, in der alle Einkünfte zusammengerechnet und mit dem persönlichen Steuersatz besteuert werden. Dies entspräche dem Leistungsfähigkeitsprinzip, das einen der Grundpfeiler unseres Steuersystems bildet.

Die Einführung der Abgeltungsteuer wurde von verschiedenen Maßnahmen begleitet, mit denen die Bemessungsgrundlage spürbar ausgeweitet wurde.

So waren bis 2008 Veräußerungsgewinne aus Kapitalanlagen stets steuerfrei, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als ein Jahr lag. Diese sog „Spekulationsfrist“ wurde abgeschafft, was insbesondere negative Auswirkungen auf die private Altersvorsorge mit sich gebracht hat. Durch die Steuerpflicht für Erträge aus Kapitalanlagen muss nun eine deutlich höhere Sparleistung erbracht bzw. mit den Anlagen eine höhere Rendite erwirtschaftet werden, um auf das gleiche Vorsorgeniveau zu kommen.

Mit der Herausnahme der Kapitaleinkünfte aus der Einkommensteuerveranlagung ging auch die Abschaffung von Verlustverrechnungsmöglichkeiten einher. Anders als vorher können Verluste aus privaten Kapitalanlagen nicht mehr mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten, sondern nur noch mit späteren Gewinnen aus Kapitalanlagen verrechnet werden. Damit hat sich die Risikoverteilung zwischen Fiskus und Steuerpflichtigen zulasten des Steuerpflichtigen verschoben.

Darüber hinaus wurde der Werbungskostenabzug bei Kapitaleinkünften gestrichen. Abziehbar ist unter der Abgeltungsteuer nur noch der Pauschbetrag von 801 € (1.602 € bei Zusammenveranlagung). In Fällen, in denen eine Investition in Kapitalanlagen fremdfinanziert werden muss, führt dies zu Verwerfungen und zu einer Verletzung des objektiven Nettoprinzips. Um diese negativen Auswirkungen zu begrenzen, gibt es zwar die Optionsmöglichkeit zur Regelbesteuerung. Diese ist aber an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und steht nur für Investitionen in Kapitalgesellschaftsanteile zur Verfügung.

Wie geht es weiter?

Eine bloße Einbeziehung der Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuerveranlagung ohne Wiederherstellung der ursprünglichen Rahmenbedingungen würde nicht zu einer Wiederherstellung der vorherigen Steuersystematik, sondern faktisch zu einer Steuererhöhung führen. Dies gilt ganz besonders für Einkünfte aus Dividenden, und dieser Aspekt kommt in der öffentlichen Diskussion vielfach zu kurz. An Anteilseigner ausgeschüttete Dividenden sind bereits auf der Ebene der Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer vorbelastet. Von einem Vorsteuergewinn von 1.000 € stehen nur rd. 702 € für eine Ausschüttung zur Verfügung. Diese werden beim Anteilseigner dann noch einmal mit 25% belastet, sodass nach Steuern nur ca. 526 € übrig bleiben. Dh.h. der Gewinn von 1.000 € unterliegt bei einer Gesamtbetrachtung einem Steuersatz von etwa 47%. Würde man den Ausschüttungsbetrag mit dem Einkommensteuerspitzensatz von 42% belasten, ergäbe sich ein Gesamtsteuersatz von rund 59%. Diese vereinfachte Beispielrechnung macht zweierlei deutlich:

Erstens: Eine Abkehr von der Abgeltungsteuer muss mit einer Reform bei der Unternehmensbesteuerung einhergehen, wenn die Eigenkapitalfinanzierung von Unternehmen nicht noch mehr als bereits bisher gegenüber der Fremdkapitalfinanzierung diskriminiert werden soll. Dies würde nicht nur dem Ziel einer Verbesserung der Eigenkapitalausstattung von Unternehmen, sondern auch einer Förderung der Aktienkultur zuwiderlaufen.

Zweitens: Die aus Gerechtigkeitsaspekten teilweise geforderte Anhebung des Abgeltungsteuersatzes beruht auf falschen Prämissen. Es trifft schlicht nicht zu, dass Kapitaleinkünfte generell niedriger besteuert werden als andere Einkunftsarten. Betrachtet werden muss immer der Nettobetrag, der bei der natürlichen Person ankommt und ihr als verfügbares Einkommen verbleibt. Sonst werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Bundessteuerberaterkammer befürwortet eine Abkehr von der Abgeltungsteuer aus steuersystematischen Aspekten. Systembrüche sorgen stets für Abgrenzungsschwierigkeiten. Sie führen zu Ungereimtheiten, die das Steuerrecht unübersichtlich und teilweise widersprüchlich werden lassen. Damit die Situation nach der Abgeltungsteuer aber besser und nicht schlechter wird, muss die gesamte Besteuerung von Kapitaleinkünften noch besser systematisiert und mit der Unternehmensbesteuerung abgestimmt werden. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, der sich die Politik in der nächsten Legislaturperiode mit Augenmaß stellen sollte.