DER BETRIEB
Digitale Wirtschaft im Fokus der Besteuerung
EU-Kommission plant Richtlinien-Entwurf bis zum Frühjahr 2018

Digitale Wirtschaft im Fokus der Besteuerung

EU-Kommission plant Richtlinien-Entwurf bis zum Frühjahr 2018

Dr. Gabriele Rautenstrauch

Die EU-Kommission führt bis Anfang Januar 2018 eine öffentliche Anhörung zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft durch. Ein Richtlinien-Entwurf soll dann bereits im Frühjahr 2018 verabschiedet werden. Doch welche Maßnahmen sind kurzfristig umsetzbar und könnten Eingang in eine solche Richtlinie finden?

Dr. Gabriele Rautenstrauch
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Die OECD hat in ihrem BEPS-Aktionsplan gegen internationale Gewinnverkürzung und -verlagerung die Besteuerung der digitalen Wirtschaft als ersten Aktionspunkt „Action 1: Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy“ aufgenommen.

Durch neue digitale Geschäftsmodelle besteht nach Ansicht der OECD ein massives Potenzial, Gewinne zu verkürzen und zu verlagern. So unterliegen nach der Mitteilung der EU-Kommission vom 21.09.2017 Unternehmen mit einem digitalen Geschäftsmodell einem effektiven Durchschnittssteuersatz von nur 9%, während sich Unternehmen mit einem herkömmlichen Geschäftsmodell mit einem durchschnittlichen Steuersatz von mehr als 20% konfrontiert sehen. Als Gründe werden das Vorhandensein von steuerlichen Anreizen und immaterielle Vermögenswerte als Basis des Geschäftsmodells genannt. Oft haben zudem ausländische Unternehmen der digitalen Wirtschaft keine physische Präsenz im Inland, sodass gegenwärtig i.d.R. kein Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung im Inland besteht, obwohl dort hohe Umsätze erwirtschaftet werden.

Die digitalen Geschäftsmodelle sind auf dem Vormarsch und gehören schon längst zu unserem Alltag. Dazu gehört nicht nur der fast schon klassische Online-Handel. Ebenso sind darunter auch die Gewinne durch Werbung im Rahmen von sozialen Netzwerken (wie z.B. Facebook), im Rahmen von Sharing-Anwendungen (wie z.B. Airbnb oder Blablacar) sowie bei Online-Streaming-Diensten zu fassen, bei denen i.d.R. das Angebot zeitlich beschränkt gegen eine Gebühr genutzt werden kann (sog. Subscription-Modelle; z.B. Netflix, Spotify). Ebenfalls im Kommen sind Geschäftsmodelle, bei denen bereits vorhandene Hardware-Funktionen erst nach Freischaltung durch Kauf von Software-Updates oder durch Online-Applikationen genutzt, erweitert oder aktualisiert werden können. Hier vermischen sich das digitale und das „traditionelle“ Geschäftsmodell in der Praxis – mit erheblicher Ausweitungstendenz.

Die OECD plant für 2020 die Veröffentlichung eines finalen Berichts mit Vorschlägen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft. Ein Zwischenbericht soll im ersten Halbjahr 2018 erscheinen. Doch auch hier – wie bei der Umsetzung der OECD-BEPS-Aktionspunkte – sieht sich die EU-Kommission in einer Vorreiterrolle: Bis Anfang Januar 2018 führt die EU-Kommission eine öffentliche Anhörung zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft durch. Ein Richtlinien-Entwurf soll dann bereits im Frühjahr 2018 verabschiedet werden. Ist der Rat der EU-Finanzminister ähnlich entscheidungsfreudig wie bei der Anti Tax Avoidance Directive (ATAD), könnte die Richtlinie bereits Ende 2018 verabschiedet werden und bald darauf anwendbar sein. Doch welche Maßnahmen sind kurzfristig umsetzbar und könnten Eingang in eine solche Richtlinie finden?

Kurzfristige Lösungen

Als eine mögliche kurzfristige Lösung wird eine Art equalisation tax (Ausgleichssteuer) für digitale Leistungen diskutiert.

Diese soll auf alle mit rein digitalen Leistungen erzielten Umsätze – in Anlehnung an den umfangreichen Katalog des USt-Rechts – erhoben werden, welche in einem Land nach Überschreiten bestimmter Schwellenwerte erbracht werden. Eine Anrechnung dieser equalisation tax auf die KSt-Schuld im Ansässigkeitsstaat des leistungserbringenden Unternehmens ist dabei wohl nicht vorgesehen. Zudem wird diskutiert, diese Steuer nicht nur auf grenzüberschreitende Leistungen, sondern auch auf innerstaatliche Leistungen zu erheben, da ansonsten die EU-Grundfreiheiten verletzt werden könnten. Vollkommen offen ist, wie diese equalisation tax erhoben werden kann. Hier scheint nur eine Steueranmeldung durch das leistende Unternehmen ein gangbarer Weg zu sein, welche zudem in Form eines One-stop-shops ausgestaltet sein sollte.

Eine andere diskutierte kurzfristige Lösung sieht eine Steuer für Einnahmen aus Werbeaktivitäten vor, welche an das Anzeigen von Werbung auf dem Bildschirm des Endverbrauchers geknüpft wird. Auch hier spielt die Frage der Erhebung dieser Steuer und damit auch die Frage der Steuergerechtigkeit eine fundamentale Rolle.

Virtuelle Betriebsstätte

Die kurzfristigen Lösungen, equalisation tax oder Steuer auf digitale Werbemaßnahmen, sollen langfristig durch die Einführung einer digitalen oder virtuellen Betriebsstätte abgelöst werden. Offen ist aber, an welchen Kriterien die digitale Präsenz in einem Staat festgemacht wird. Der Schelling-Plan Österreichs fordert die Besteuerung einer digitalen Betriebsstätte beim Vorliegen einer signifikanten digitalen Präsenz unter Anknüpfung an die erzielten Umsätze. Auch dies bringt nicht mehr Klarheit. Genauso unklar ist, wie in einem zweiten Schritt eine Gewinnzuordnung zu dieser virtuellen Betriebsstätte erfolgen soll. Eine Anwendung des AOA mit den Kriterien der „People Function“ oder auf Basis der getragenen Risiken kann gerade nicht erfolgen. Fraglich ist auch, ob dieser Ansatz dem „neuen“ Credo der EU „Besteuerung am Ort der Wertschöpfung“ gerecht wird.

Trotz all der oben genannten Unschärfen und offenen Fragen scheint die aktuelle Stimmung in der EU die Einführung von Maßnahmen – seien es kurzfristige oder langfristige – zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft zu forcieren. Insb. die Umsetzung der virtuellen Betriebsstätte könnte noch dadurch zusätzlichen Schub bekommen, dass Österreich zusätzlich zur angestrebten Vorreiterrolle auch den Vorsitz im Europäischen Rat in der zweiten Jahreshälfte 2018 innehaben wird. Möglich ist, dass diese Gemengelage die Hürde des Einstimmigkeitserfordernisses auf EU-Ebene nehmen wird.

Kollateralschäden und Risiko der Doppelbesteuerung

Dass die kurzfristigen Lösungen tatsächlich zielgerichtet und ausschließlich die Leistungen „digitaler Unternehmen“ treffen, darf bezweifelt werden. Vielmehr wird bzw. ist bereits auch die sog. Old Economy mitten im Prozess, ihre Leistungen digital anzubieten, sodass die von der EU-Kommission gewünschte Heranziehung der sog. digitalen Wirtschaft zum Steueraufkommen in der EU Kollateralschäden mit sich bringen wird. Im Grundsatz sollte nämlich davon ausgegangen werden, dass die durch die digitalen Leistungen generierten Gewinne im Ansässigkeitsstaat bereits einmal besteuert werden – wenn dies nicht der Fall ist, muss in einem ersten Schritt diese Situation z.B. durch die Umsetzung der anderen Aktionspunkte des OECD-Aktionsplans hergestellt werden. Wurden die Gewinne aber bereits besteuert, so führen die kurzfristigen Maßnahmen zu einer Doppelbesteuerung ohne die Möglichkeit einer Anrechnung dieser zusätzlichen Steuer. Eine Überwälzung auf den Verbraucher scheint zudem wahrscheinlich. Aus diesem Grund sollte eine Einführung dieser kurzfristigen Maßnahmen – auch in Form einer Übergangslösung – zumindest überdacht, wenn nicht abgelehnt werden.