DER BETRIEB
Reform der Grundsteuer

Reform der Grundsteuer

RiBFH Prof. Dr. Matthias Loose

Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Gemeinden und trägt mit ca. 13 Mrd. € jährlich zur Finanzierung des Gemeinwesens bei. Die Erhebung der Grundsteuer basiert auf einem komplizierten Verfahren, das die Steuerhoheit der Städte und Gemeinden sicherstellen soll. Seit mehr als zehn Jahren werden verschiedene Modelle zur Reform der Grundsteuer diskutiert, ohne dass man sich bislang auf ein Modell einigen konnte.

RiBFH Prof. Dr. Matthias Loose
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Vorlage an das BVerfG

Es bedurfte einer Vorlage des BFH an das BVerfG, um den Druck auf den Gesetzgeber zu erhöhen. Der u.a. für die Grundsteuer zuständige II. Senat des BFH legte mit Beschluss vom 22.10.2014 (II R 16/13, BStBl. II 2014 S. 957 = DB 2015 S. 43) die Vorschriften über die Einheitsbewertung an das BVerfG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vor. Der BFH hält die Vorschriften über die Einheitsbewertung (spätestens) ab dem Bewertungsstichtag 01.01.2009 für verfassungswidrig, weil die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 01.01.1964 für die Einheitsbewertung zu Folgen führt, die mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht mehr vereinbar sind. Mitte Januar 2018 fand unter großem medialem Interesse die mündliche Verhandlung in Karlsruhe statt (Az. des BVerfG: 1 BvL 11/14). Mit einer Entscheidung ist in den nächsten Monaten zu rechnen.

Manch einer wird sich fragen, warum die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer losgetreten wurde. Die Grundsteuer basiert in vielen Fällen auf historisch niedrigen Werten. Sie trifft Villenbesitzer und Mieter gleichermaßen, Letztere über die Umlage der Nebenkosten. Für Städte und Gemeinden ist es einfach, das Grundsteueraufkommen durch bloße Anhebung der Hebesätze zu erhöhen. Das Einheitswertverfahren ist zwar überaltert, bei den Finanzämtern aber jahrzehntelange Routine.

Einheitswertfeststellung

Genau hier liegt das Problem. Die Einheitswertbescheide gelten nicht nur für einen Bewertungsstichtag, sondern so lange, bis sie gem. § 24 BewG aufgehoben oder fortgeschrieben werden. Fortschreibungen wegen Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse oder zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung sind in § 22 BewG geregelt. Für Wertfortschreibungen sind dabei nicht die Wertverhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt, sondern diejenigen im Hauptfeststellungszeitpunkt maßgebend (§ 27 BewG). Dies soll die Gleichmäßigkeit der Bewertung innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums sichern. Änderungen des Wert- und Preisniveaus innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums sollen sich nicht auf die Höhe des Einheitswerts auswirken (BFH vom 22.10.2014 – II R 16/13, a.a.O., Rz. 24). Das Gesetz legt den Hauptfeststellungszeitpunkt auf den 01.01.1964 fest (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BewÄndG 1965). Nach § 21 Abs. 1 BewG sollten die Einheitswerte in Zeitabständen von je sechs Jahren allgemein festgestellt werden. Danach hätten Wertveränderungen zumindest alle sechs Jahre Berücksichtigung finden müssen. Tatsächlich wurde jedoch seit 1964 keine Hauptfeststellung mehr durchgeführt. Dies beruht auf Art. 2 Abs. 1 Satz 3 BewÄndG 1965 (i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes vom 22.07.1970, BGBl. I 1970 S. 1118; zur Rechtsentwicklung vgl. BVerfG vom 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995 S. 655 = RS0812526; BFH vom 11.06.1986 – II B 49/83, BStBl. II 1986 S. 782 = RS0739726). Danach sollte der Zeitpunkt der auf die Hauptfeststellung 1964 folgenden nächsten Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes abweichend von § 21 Abs. 1 BewG durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden. Ein solches Gesetz ist bisher jedoch nicht ergangen. Der Gesetzgeber hat ungeachtet des weit zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts an dem Konzept der periodischen zeitnahen Bewertung festgehalten, dies aber tatsächlich nicht umgesetzt.

Abweichung der festgestellten Werte von den tatsächlichen Verhältnissen

Das Versäumnis des Gesetzgebers führt zu einer erheblichen Abweichung der festgestellten Werte von den tatsächlichen Verhältnissen. Bei der Bewertung unbebauter Grundstücke ist von den durchschnittlichen Werten auszugehen, die zum 01.01.1964 für vergleichbare Grundstücke ermittelt worden sind. Bei der Bewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren ist von dem am 01.01.1964 geltenden Mietniveau auszugehen. Bei der Bewertung bebauter Grundstücke im Sachwertverfahren sind die für die Hauptfeststellung 1964 maßgebenden Preise zugrunde zu legen. Nach 1964 eingetretene Änderungen des allgemeinen Wertniveaus aufgrund gewandelter allgemeiner politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Verhältnisse können sich bei der Bewertung nicht auswirken (BFH vom 22.10.2014 – II R 16/13, a.a.O., Rz. 27, m.w.N.). Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass sich diese Verhältnisse in den letzten 50 Jahren gebietsweise deutlich verändert haben. Z.B. kann ein Grundstück, das vor 50 Jahren in einer abgehängten Stadtrandzone gelegen war, heute in einem durch öffentliche Verkehrsmittel hervorragend angeschlossenen und begehrten Stadtteil liegen.

Der BFH hat die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens trotz der verfassungsrechtlichen Zweifel, die sich aus dem lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkt und den darauf beruhenden Wertverzerrungen ergeben, lange als (noch) verfassungsgemäß beurteilt (BFH vom 02.02.2005 – II R 36/03, BStBl. II 2005 S. 428 = DB 2005 S. 1254; vom 04.02.2010 – II R 1/09, RS0765021 = BFH/NV 2010 S. 1244; vom 30.06.2010 – II R 60/08, BStBl. II 2010 S. 897 = DB 2010 S. 1738; vom 06.07.2011 – II R 35/10, RS0766255 = BFH/NV 2011 S. 2019). Damit war sicher auch die Hoffnung verbunden, dass der Gesetzgeber eine Reform der Grundsteuer endlich umsetzen würde. Jetzt hat er die Reißleine gezogen und ist davon überzeugt, dass das Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer zumindest ab dem Stichtag 01.01.2009 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), nicht vereinbar ist (BFH vom 22.10.2014 – II R 16/13, a.a.O., Rz. 66 ff.). Das BVerfG scheint ebenfalls erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung zu haben. Das wurde anhand der in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen deutlich. Längst scheint es nicht mehr fraglich zu sein, ob das BVerfG die Einheitsbewertung für verfassungswidrig erklärt. Unklar sind allenfalls die Rechtsfolgen einer solchen Entscheidung. Der Gesetzgeber hofft auf eine lange Übergangsregelung bis zu einer Neuregelung. Zum Teil wird eine Frist von zehn Jahren gefordert, weil ansonsten eine sachgerechte Bewertung der mehr als 35 Mio. wirtschaftlichen Einheiten nicht möglich sei. Eine so lange Frist hat das BVerfG dem Gesetzgeber bislang noch nie eingeräumt, um einen verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Das wird es vermutlich auch diesmal nicht tun. Zu viel Zeit ist bereits vergeudet worden.

Maßstab für eine sachgerechte und gleichmäßige Besteuerung

Mit Interesse wird man darauf schauen, welchen Maßstab das BVerfG für eine sachgerechte und gleichmäßige Besteuerung fordert. Je gröber der Bewertungsmaßstab, desto einfacher die Umsetzung für den Gesetzgeber. Möglicherweise wird man sich bei der Bewertung an den Bodenrichtwerten einerseits und den Herstellungskosten der Gebäude andererseits orientieren. Ein solches Modell fand bereits die Zustimmung von 14 Ländern, nur Bayern und Hamburg waren dagegen. In jedem Fall ist das Ende der Einheitsbewertung nach bisherigem Muster absehbar. Eines ist schon jetzt sicher: Die reformierte Grundsteuer wird für Hausbesitzer und Mieter nicht günstiger, sondern in Einzelfällen deutlich teurer.