DER BETRIEB
Anzeigepflicht für Steuergestaltungen
Viel Bürokratieaufwand für nichts

Anzeigepflicht für Steuergestaltungen

Viel Bürokratieaufwand für nichts

StB/WP/RA Dr. Raoul Riedlinger

Der Richtlinientext zur Einführung einer Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen ist am 13.03.2018 vom EU-Finanzministerrat verabschiedet worden. Parallel dazu wollen die Finanzstaatssekretäre der Länder eine Anzeigepflicht für nationale Gestaltungen einführen. Ein erstes Eckpunktepapier einiger Staatssekretäre der Länder wurde bereits vorgestellt.

StB/WP/RA Dr. Raoul Riedlinger
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Um den aggressiven Steuergestaltungen einzelner Stpfl. beizukommen, wollen sowohl der ECOFIN-Rat als auch die Länderfinanzminister eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle einführen. Ziel ist die Bekämpfung von Steuervermeidung im nationalen und internationalen Kontext. Beide Pläne sollen voraussichtlich in einem Gesetzentwurf münden, der Berater bzw. steuerpflichtige Unternehmen wie Privatpersonen dazu verpflichtet, ihre geplanten legalen Steuergestaltungen an eine zentrale Stelle zu melden.

Meldung sensibler Daten

Im EU-Richtlinienvorschlag ist vorgesehen, dass Berater bzw. Steuerpflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltungen bei den zuständigen Steuerbehörden melden müssen. Diese Meldung müsste sensible Daten wie z.B. detaillierte personenbezogene Angaben zu den Beratern und zu den Steuerpflichtigen und den Wert der Transaktion enthalten. Die Nichtabgabe oder nicht vollständige Abgabe einer Anzeige soll nach den bisherigen Plänen mit einer empfindlichen Geldbuße belegt werden.

Die Bundessteuerberaterkammer hält die Vorschläge zur Einführung einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungen auf europäischer und nationaler Ebene für vollkommen verfehlt. Sie fordert den deutschen Gesetzgeber dazu auf, die Pläne zu den geplanten Anzeigepflichten für Steuergestaltungen fallen zu lassen. Wegen weniger schwarzer Schafe wird nun einer Masse von Unbeteiligten misstraut.

Klar ist, dass die genaue gesetzliche Formulierung zur Bestimmung des anzeigepflichtigen Steuermodells schwierig ist. Bei zu offenen Formulierungen besteht die Gefahr, dass die Anzeigepflicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht standhält, die Finanzverwaltung von Anzeigen überschwemmt und das Alltagsgeschäft der Steuerberater und Unternehmen erfasst würde. Diese Datenflut wäre dann kaum beherrschbar, geschweige denn sinnvoll analysierbar.

Ziele der Datensammlung

Die im Zusammenhang mit den Anzeigepflichten gebrachten Cum/Ex-Fälle wurden im Nachhinein als illegal eingestuft. Dies zeigt ein weiteres Problem der Anzeigepflichten auf: Viele versprechen sich, mit ihrer Hilfe seien legale von illegalen Steuergestaltungen unterscheidbar. Das wird aber nicht der Fall sein. Im Fall von Cum/Ex waren die Gestaltungen bereits 2002 bekannt, es hatte jedoch viele Jahre niemand darauf reagiert. Auch im Fall „Goldfinger“ hatte die Bundesregierung vier Jahre gebraucht, bis das Steuerschlupfloch nach Bekanntwerden geschlossen wurde. In beiden Fällen lagen die Daten vor, allein der Gesetzgeber hat nicht reagiert. Auch der Bundesrechnungshof macht immer wieder auf Lücken im System aufmerksam. Reaktionen erfolgen erst sehr spät. Wofür also all die Datensammlung?

Das BVerfG hat wiederholt entschieden, dass es jedem Steuerpflichtigen freistehe, seine Angelegenheiten so einzurichten, dass er möglichst wenig Steuern zahlen muss. Durch die Einführung einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungen wird diese Gestaltungsfreiheit der Steuerpflichtigen und Steuerberater mit neuen Bürokratiepflichten überzogen und eingeschränkt.

Deutschland plant eine überschießende Umsetzung der EU-Richtlinie. Denn die Finanzminister wollen nicht nur grenzüberschreitende Modelle, sondern auch (legale) nationale Steuergestaltungen erfassen. Dem Vernehmen nach sieht auch das Eckpunktepapier keine Rückmeldung an den Steuerpflichtigen vor, vielmehr handelt es sich um eine einseitige Informationspflicht. Eingegangene Anzeigen sollen eine Registriernummer erhalten und verwaltungsintern ausgewertet werden. Auch hier fehlt die vom Steuerpflichtigen immer mehr verlangte Transparenz. Nach Auffassung der BStBK sind dies keine Maßnahmen, die die Zufriedenheit mit dem Steuersystem stärken. Da gerade diese Zufriedenheit jedoch wesentlich für eine gute Steuermoral ist, wirkt eine überbordende Meldepflicht insoweit eher kontraproduktiv.

Ferner liegen erhebliche Zweifel an einer verfassungskonformen Ausgestaltung einer Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltungen vor. Die BStBK hat ein Gutachten von Prof. Dr. jur. Johanna Hey, Direktorin des Instituts für Steuerrecht an der Universität zu Köln, in Auftrag gegeben. Prof. Hey untersuchte die Verfassungsmäßigkeit der Einführung einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungen auf nationaler Ebene und kommt zu dem Ergebnis, dass dieses Vorhaben gegen fundamentale Grundsätze des deutschen Steuerrechts verstößt:

Gleichheitsgerechte Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG)

Um eine gleichheitsgerechte Besteuerung zu gewährleisten, muss der Gesetzgeber Gesetzeslücken schließen. Hierbei gilt der rechtsstaatliche Grundsatz: Es ist originäre Aufgabe des Gesetzgebers festzustellen, an welchen Stellen Gesetzeslücken vorliegen. Eine sanktionierte Anzeigepflicht von Gesetzeslücken ist mit der rechtsstaatlichen Aufgabenverteilung zwischen Bürger und Staat mithin nicht zu vereinbaren und damit unangemessen.

Bestimmtheitsgebot (Art. 103 GG)

Dem Vorhaben wohnt ein unauflösbares Dilemma inne: Der Tatbestand muss möglichst weit gefasst sein, damit Gesetzeslücken identifiziert werden. Das führt aber dazu, dass Betroffene die Normen kaum verstehen und daher auch nicht anwenden können. So müsste nahezu jede Steuergestaltung – sei sie noch so trivial und legal – gemeldet werden. Im Ergebnis kommt es zu einer verfassungswidrigen Unbestimmtheit.

Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG)

Infolge der geplanten Regelung könnten viele Steuerberater ihren Beruf kaum noch wirtschaftlich sinnvoll weiterführen. Da es für einen solchen Eingriff keine Legitimation gibt, erweist sich die geplante Anzeigepflicht als unverhältnismäßig. Das Vertrauensverhältnis ist unverzichtbare Bedingung der steuerberatenden Berufsausübung. Würden diese Beratungsgespräche anzeigepflichtig, ist diese Vertraulichkeit nicht mehr gewährleitet.

Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)

Die geplante Datensammlung zu unbestimmten oder noch nicht bestimmten Zwecken ist gem. dem BVerfG grds. unzulässig.

Die BStBK stellt klar: Will die Finanzverwaltung Auskunft über legale, jedoch unerwünschte Gestaltungen erhalten, wäre es zielführender, eine praktikable Ausgestaltung der verbindlichen Auskunft vorzunehmen. In diesem Zusammenhang könnte die Finanzverwaltung Kenntnis von den betreffenden Modellen erhalten. Will man gegen aggressive Steuergestaltung wirksam vorgehen, so liegt im effektiven Einsatz bestehender Instrumente wie dem internationalen Informationsaustausch und der zeitnahen Betriebsprüfung deutlich mehr Potenzial.