DER BETRIEB
Umsetzung der EU-Prospektverordnung
Das Wertpapier-Informationsblatt kommt!

Umsetzung der EU-Prospektverordnung

Das Wertpapier-Informationsblatt kommt!

Marc-Oliver Kurth, LL.M. (Sydney)

Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze vorgelegt. Wesentlicher Inhalt ist die Einführung eines Wertpapier-Informationsblattes für öffentliche Angebote bis zu einem Schwellenwert von 8 Mio. €.

Marc-Oliver Kurth, LL.M. (Sydney)
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Im Zuge der europäischen Kapitalmarktunion ist das europäische Prospektrecht mit der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der RL 2003/71/EG (EU-ProspektVO) neu geregelt worden. Die EU-ProspektVO tritt in drei Schritten in Kraft. Bereits seit dem 20.07.2017 gelten erleichterte Möglichkeiten zur Zulassung von Aktien zu einem regulierten Markt. Weitere Teile treten zum 21.07.2018 in Kraft, bevor sämtliche Bestimmungen der EU-ProspektVO am 21.07.2019 volle Geltung erhalten.

Regierungsentwurf zur Optionsausübung

Wesentlicher Inhalt des „Entwurf eines Gesetzes zur Ausübung von Optionen der EU-ProspektVO und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze“ der Bundesregierung (RegE) ist die Nutzung von Optionen zu Ausnahmen von der Prospektpflicht, die nachfolgend näher beleuchtet wird. Art. 1 Abs. 3 EU-ProspektVO bestimmt mit Geltung ab dem 21.07.2018, dass Angebote von Wertpapieren im europäischen Wirtschaftsraum mit einem Gesamtgegenwert von weniger als 1 Mio. € innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten außerhalb des Anwendungsbereichs der EU-ProspektVO fallen. Den Mitgliedstaaten ist es explizit nicht gestattet, für solche Angebote einen Prospekt zu verlangen; auf nationaler Ebene können jedoch andere Offenlegungspflichten vorgesehen werden, sofern diese keine unverhältnismäßige und unnötige Belastung darstellen. Zudem erlaubt Art. 3 Abs. 2 EU-ProspektVO, rein nationale, öffentliche Angebote bis 8 Mio. € von der Prospektpflicht zu befreien.

Mit dem RegE dürfte sich die Hoffnung kleinerer Unternehmen zerschlagen haben, zukünftig bis zu einem Betrag von 1 Mio. € dokumentationsfrei Wertpapiere im Wege öffentlicher Angebote begeben zu können. Stattdessen führt der RegE für Emissionen oberhalb von 100.000 € bis weniger als 8 Mio. € nunmehr die Pflicht zur Erstellung eines sog. Wertpapier-Informationsblattes ein (§ 3a WpPG-E). Die aus Sicht der Emittenten wünschenswerte Alternative, zukünftig öffentliche Angebote von Wertpapieren bis zu 1 Mio. € komplett dokumentationsfrei zu ermöglichen, würde nach Meinung der Bundesregierung den in den letzten Jahren erreichten Anlegerschutz beeinträchtigen.

Begrüßenswert an der Neuregelung ist, dass nun auch Angebote oberhalb von 1 Mio. € erleichtert durchgeführt werden können, weil der Anwendungsbereich des Wertpapier-Informationsblattes auf Emissionen bis zu 8 Mio. € ausgedehnt wird (nach dem Referentenentwurf des BMF (RefE) war dies nur für Emissionen zwischen 100.000 € bis zu 1 Mio. € vorgesehen). Zwar wird das den Bedürfnissen der Unternehmen bei der Flexibilität der Kapitalaufnahme deutlich mehr gerecht. Allerdings greift die Ausnahme von der Prospektpflicht bei Angeboten an nicht qualifizierte Anleger zwischen einer Mio. bis 8 Mio. € nur, wenn die Wertpapiere ausschließlich im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung über ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen vermittelt werden, das verpflichtet ist, zu prüfen, ob der Betrag bestimmte Einzelanlageschwellen nicht übersteigt (§ 3c WpPG-E). Dadurch dürfte die gewonnene Flexibilität wieder deutlich eingeschränkt werden.

Gestaltung des Wertpapier-Informationsblattes

Form und Inhalt des Wertpapier-Informationsblattes lehnen sich an § 13 VermAnlG an. Es soll auf einem gesetzlich vorgegebenen Höchstumfang von drei DIN-A4-Seiten die wesentlichen Informationen über die Wertpapiere in kurzer und verständlicher Form darstellen. Das Wertpapier-Informationsblatt darf erst nach einer formalen Überprüfung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und entsprechender Gestattung veröffentlicht werden. Zu den Pflichtangaben gem. § 3a Abs. 3 WpPG-E gehören die Art und Bezeichnung des Wertpapiers und der mit ihm verbundenen Rechte, Angaben zur Identität des Anbieters bzw. des Emittenten einschließlich seiner Geschäftstätigkeit sowie die mit dem Wertpapier und dem Emittenten verbundenen Risiken. Ebenfalls anzugeben ist der Verschuldungsgrad sowie Aussichten für die Kapitalrückzahlung und -erträge unter verschiedenen Marktbedingungen. Schließlich sind die Angebotskonditionen einschließlich des Emissionsvolumens sowie die geplante Verwendung des voraussichtlichen Netto-Emissionserlöses anzugeben. Gem. § 3a Abs. 4 und Abs. 5 WpPG-E muss das Wertpapier-Informationsblatt zudem gesetzlich vorgegebene Warnhinweise (Möglichkeit eines Totalverlusts, eingeschränkte Prüfung durch die BaFin, eingeschränkte Haftung) enthalten. Kritikwürdig ist zunächst der vom RegE vorgegebene Inhalt der Informationen bei gleichzeitiger Beschränkung auf einen Umfang von drei DIN-A-4-Seiten. Die gesetzgeberische Beschränkung der Seitenzahl soll wohl einerseits der BaFin die Prüfung und Billigung innerhalb von zehn Werktagen ermöglichen und zugleich die Einreichung von prospektähnlichen Unterlagen verhindern, die nach den Vorgaben der EU-ProspektVO gerade nicht verlangt werden dürfen. Durch die Aufnahme der Angaben zur Geschäftstätigkeit, die Aussichten für Kapitalrückzahlung und mögliche Erträge unter verschiedenen Marktbedingungen, insbesondere aber die mit dem Emittenten und dem Wertpapier verbundenen Risiken, dürften Emittenten, die von dieser Ausnahme Gebrauch machen wollen, kaum ohne die Einschaltung externer Berater auskommen. Wirft man einen Blick auf die Praxis und den Umfang von Wertpapierprospekten, nimmt dort bereits die Darstellung der Risikofaktoren leicht einen Umfang von 10-20 Seiten ein. Zwar wird künftig auch für die Zusammenfassung von Wertpapierprospekten eine Beschränkung auf 15 Risikofaktoren vorgegeben. Die Zusammenfassung eines Wertpapierprospekts ist jedoch gem. Art. 7 Abs. 1 der EU-ProspektVO gerade im Zusammenhang mit den übrigen Prospektteilen und der dort regelmäßig vorhandenen ausführlichen Darstellung der Risiken zu lesen. Beim Wertpapier-Informationsblatt hingegen bleibt angesichts der im RegE zwingend enthaltenen Beschränkung auf drei DIN-A4-Seiten kaum eine andere Möglichkeit, als die Risikofaktoren nur schlagwortartig darzustellen. Dies birgt nicht unerhebliche Haftungsrisiken.

Ähnliche Bedenken hinsichtlich des Umfangs ergeben sich in Bezug auf die Beschreibung der Geschäftstätigkeit, der Marktbedingungen und der Angebotskonditionen. Handelt es sich bei dem Wertpapier z.B. nicht um Aktien, sondern um Schuldverschreibungen, sind nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 WpPG-E neben der Laufzeit, Art und Höhe der Verzinsung, Zinsterminen, Stückzinsen sowie Angaben zum Fälligkeitstermin und Zurückzahlungsbedingungen ggf. bestehende Sonderkündigungsrechte des Emittenten oder des Anlegers darzustellen; Gleiches gilt für ggf. bestehende Garantieerklärungen eines Dritten.

Anders als bei Wertpapierprospekten soll eine Haftung nur möglich sein, wenn Angaben im Wertpapier-Informationsblatt unrichtig oder irreführend sind (§ 22a Abs. 1 WpPG-E). Verzichtet wird auf eine Haftung für ein unvollständiges Wertpapier-Informationsblatt. Dies ist im Hinblick auf den gesetzlich vorgegebenen Inhalt sowie die Seitenzahl-Beschränkung zwar folgerichtig. Allerdings dürften sich für die Praxis schwierige Abgrenzungsfragen ergeben, ob bei unvollständiger Wiedergabe bestimmter Informationen zugleich der Tatbestand der Irreführung gegeben sein kann.

Ungenutzter gesetzgeberischer Spielraum

Ungenutzt lässt der RegE zudem die Möglichkeit, nationale Angebote von Emittenten, deren Aktien bereits in einem regulierten Markt zugelassen sind, auf die Schwelle von 8 Mio. € anzuheben. Es bleibt bei der derzeit in § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG genannten Schwelle von 5 Mio. € (verschoben in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 WpPG-E). Daraus ergibt sich für solche Emittenten nun eine komplizierte Dreiteilung: Unter 5 Mio. € Verkaufspreis greift keine Dokumentationspflicht, zwischen 5 bis 8 Mio. € ist ein Wertpapier-Informationsblatt zu erstellen und über 8 Mio. € ein Wertpapierprospekt. Hier wäre größerer gesetzgeberischer Mut wünschenswert, etwa dergestalt, dass für solche Emittenten bis zu einer Schwelle von 8 Mio. € keine Dokumentation erforderlich ist. Denn eine unverhältnismäßige Einschränkung des Anlegerschutzes wäre bei einer Schwellenanhebung aufgrund der bestehenden Publizitätspflichten börsennotierter Unternehmen nicht zu befürchten. Ebenfalls sinnvoll wäre eine – nach der EU-ProspektVO durchaus mögliche – Ausdehnung auf Emittenten gewesen, deren Aktien in einen Freiverkehr (z. B. Scale) einbezogen sind. Aufgrund der Anwendbarkeit der Vorschriften der EU-MarktmissbrauchsVO ist auch bei diesen Unternehmen mittlerweile ausreichend Publizität und Transparenz hergestellt. Trotz der Verbesserungen gegenüber dem RefE bleibt der RegE damit insgesamt unter den Möglichkeiten.