DER BETRIEB
Organschaften von Kreditinstituten im Fokus der europäischen Aufsicht

Organschaften von Kreditinstituten im Fokus der europäischen Aufsicht

StB Dr. Florian Holle

Die ertragsteuerliche Organschaft bietet den Vorteil, Gewinne und Verluste von im Organkreis befindlichen Gesellschaften zu verrechnen. So können große Unternehmensgruppen als wirtschaftliche Unternehmenseinheit betrachtet werden.

1. Eine Anpassung der CRR: Hier könnte schon eine Differenzierung im Wortlaut der Verordnung zwischen „Ausschüttung“ und „Abführung“ ausreichen, denn bereits die Verlustübernahmeverpflichtung der Obergesellschaft im Rahmen des Gewinnabführungsvertrags sollte der Intention der CRR genügen.

2. Eine Reform der Voraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft: Wesentliche Motivation zum Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags dürften die steuerlichen Folgen sein. Das Festhalten an diesem Weg zur Eröffnung einer Gruppenbesteuerung ist in Europa und wohl auch weltweit einmalig. Mit Blick auf die ohnehin avisierte Vereinheitlichung der Unternehmensbesteuerung in Europa wäre eine Veränderung angezeigt. Ohne eine Anpassung wären Kreditinstitute kurzfristig vom Zugang zur ertragsteuerlichen Organschaft abgeschnitten. Dies wäre ein weiterer Mosaikstein in der Diskussion der nationalen Steuerpolitik als Instrument der Standortpolitik, denn ohne eine Gruppenbesteuerung würden die inländischen steuerlichen Bedingungen deutlich verschlechtert.

StB Dr. Florian Holle
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Diese Organisationsform ist kein Systembruch, sondern der Versuch, den Erfordernissen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gerecht zu werden. Die Untergesellschaft verpflichtet sich im Gewinnabführungsvertrag zur Abführung des vollständigen Gewinns, gleichzeitig verpflichtet sich die Obergesellschaft zur etwaigen Verlustübernahme. Diese Grundsätze stehen für Kreditinstitute zur Disposition. Die Fachpresse spricht bereits von einem „Schildbürgerstreich der Bankenregulierer“ (BZ vom 13.03.2018 S. 5). Was verbirgt sich dahinter?

Capital Requirements Regulation

Kreditinstitute unterliegen einer gesonderten aufsichtsrechtlichen Regulierung. Die zentralen Vorgaben in diesem Bereich gibt die Capital Requirements Regulation (CRR), welche als Verordnung unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union entfaltet. Die CRR formuliert in Art. 28 zahlreiche Anforderungsvoraussetzungen für aufsichtsrechtliches Kernkapital, so auch ein Verbot einer Ausschüttungspflicht des Instituts auf diese Instrumente. Strittig ist nunmehr, ob die sich aus einem Gewinnabführungsvertrag ergebende Abführungsverpflichtung einer Gesellschaft dieser Vorgabe der CRR entgegensteht.

EZB als Aufsicht der Kreditinstitute übernimmt Ansicht der European Banking Authority

Die European Banking Authority (EBA) hat sich als die für die Standardsetzung zuständige Institution bereits in der Vergangenheit im sog. Q&A-Prozess zur Auslegung der CRR in diesem Bereich geäußert. Diese Ausführungen sind indes rechtlich nicht bindend, da für die Aufsicht der Institute die Europäische Zentralbank (EZB) bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zuständig ist. Nunmehr hat sich die EZB jedoch der bekannten Auffassung der EBA angeschlossen und den vermeintlich betroffenen Instituten in einem Schreiben vom 15.02.2018 diese Entscheidung übermittelt. Hier heißt es, dass „ein solches Tochterinstitut in Bezug auf die Gewinnverteilung über keinen uneingeschränkten Ermessensspielraum verfügt und seine Kapitalinstrumente […] somit gegen Art. 28 Abs. 1 der CRR verstoßen, nämlich gegen eines der Kriterien für die Berücksichtigung als hartes Kernkapital.“ Gemäß der CRR dürfen diese Kapitalinstrumente (Gezeichnetes Kapital und Agio) bei einem Verstoß gegen die Verordnung unmittelbar nicht mehr als Kernkapital berücksichtigt werden. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Entscheidung gewährt die EZB den betroffenen Instituten eine Karenzzeit bis zum 31.12.2020. Erst ab dem 01.01.2021 werden diese Kapitalinstrumente nicht mehr als Instrumente des harten Kernkapitals eingestuft. Bei Instituten droht der „Verlust“ von bis zu 60% des aufsichtsrechtlichen Kernkapitals. Auch ausländische Unternehmensgruppen können mit inländischen Tochtergesellschaften betroffen sein. Bereits bis zum 30.04.2018 mussten die betroffenen Institute einen Maßnahmenplan an die Aufsicht übermitteln, wie die Einhaltung der aufsichtlichen Erwartungen im Anschluss an die Karenzzeit erfüllt werden können.

Kündigung des Gewinnabführungsvertrags?

Die augenscheinlichsten Antworten sind hier eine Kündigung des Gewinnabführungsvertrags, welche die steuerlichen Vorteile ins Abseits stellen würde, oder eine Umstrukturierung des Eigenkapitals hin zu einer deutlichen Stärkung der Kapitalrücklagen zulasten des gezeichneten Kapitals. Letztere Maßnahme stünde jedoch unter dem Zustimmungsvorbehalt der jeweiligen Aufsichtsbehörde (Art. 78 CRR).

Anfrage der Deutschen Kreditwirtschaft bei der EBA

Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) hat als Interessenvertreter der fünf deutschen Spitzenverbände zum Jahreswechsel der EBA erneut einen auf die deutschen Besonderheiten abgestimmten Vorschlag vorgelegt. Dieser soll es der EBA ermöglichen, bei ihrer bisherigen Auslegung zu bleiben und unter den Besonderheiten des deutschen Rechts eine Ausnahme zu akzeptieren. Auf Ebene der Gewinnermittlung besteht nach §§ 340f und 340g HGB die Möglichkeit der Eigenkapital- und Eigenmittelstärkung bei der Untergesellschaft. Zudem kann im Rahmen der Gewinnverwendung eine Rücklagenbildung (gem. § 272 Abs. 3 HGB) erfolgen. Die steuerlichen Grenzen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG würden damit u.E. nicht zwingend überschritten (vgl. dazu ausführlich Brühl/Holle/Weiss, FR 2018 S. 131 [133 ff.]).

Politische Handlungsoptionen

Sollte die EBA trotz der skizzierten Besonderheiten im deutschen Recht einen Verstoß feststellen, müssen die Institute handeln, um die aufsichtlichen Vorgaben zu erfüllen, denn beide skizzierten Lösungsansätze erfordern durch die notwendigen Entscheidungen der betroffenen Gremien eine Vorlaufzeit. Für die Politik ergeben sich zwei Handlungsoptionen:

Vereinheitlichung von Steuer- und Aufsichtsrecht

Dieses Beispiel zeigt, wie bedeutsam eine übergreifende Betrachtung der Entwicklungen im Aufsichts- und Steuerrecht ist. Um Friktionen zu vermeiden, befindet sich das Steuerrecht hier wohl regelmäßig im Zugzwang, da das Aufsichtsrecht wesentlich europäisch geprägt ist und somit Anpassungen schwer denkbar sind. Zudem nimmt die Bedeutung der Verlautbarungen der EBA durch die Entscheidung der Anwendung dieser durch die EZB zu. Ob dies jedoch mit dem Rechtsstaatsgedanken vereinbar ist, ist diskussionswürdig, denn Rechtsschutz gegen die Verlautbarungen der EBA gibt es nicht.