DER BETRIEB
Steuerliche Förderung von (digitalen) Innovationen und der digitalen Wirtschaft

Steuerliche Förderung von (digitalen) Innovationen und der digitalen Wirtschaft

Univ.-Prof. Dr. Stephan Meyering

Die Marktmacht US-amerikanischer Digitalkonzerne gefährdet Deutschlands Wohlstand. Der Koalitionsvertrag setzt zwar auf Innovationen, eine High-Tech-Strategie und Gründungen im Bereich der deutschen digitalen Wirtschaft, eine Umsetzung ist indes noch nicht zu erkennen. Die steuerliche Förderung dieser Bereiche sollte Priorität genießen.

Univ.-Prof. Dr. Stephan Meyering
hbfm_db_2018_24_m4_a_1267841_a001.png

Im Bereich der digitalen Wirtschaft haben die USA die Marktmacht erobert. Derzeit gibt es drei kommerziell erfolgreiche Anbieter von Betriebssystemen – alle mit Sitz in den USA: Android/Google/Alphabet, macOS bzw. iOS/Apple und Windows/Microsoft.

Auch viele in den sozialen Medien häufig genutzte Anwendungen und Apps kommen zu einem großen Teil aus den USA (bspw. Facebook, Twitter, Snapchat, Instagram) und die Kommunikation erfolgt zunehmend über Dienste mit Sitz in den USA (z.B. Skype, WhatsApp).

Aber der Erfolg der digitalen Wirtschaft in den USA geht noch viel weiter als Betriebssysteme, soziale Netzwerke und Kommunikationsdienste, denn wir verwenden viele weitere Anwendungen von amerikanischen Firmen wie Virenscanner von McAfee, die Software Microsoft Exchange Server, VPN-Software von Cisco Systems, Office-Anwendungen von Microsoft sowie Software zur Bild- und PDF-Bearbeitung von Adobe.

Politischer Handlungsbedarf

Forciert wird diese Entwicklung sicherlich auch durch steuerliche Förderungen. Bspw. erlaubt das amerikanische Steuersystem umfangreiche Steuergestaltungsmöglichkeiten, von denen in der Vergangenheit insb. IT-Konzerne profitieren konnten (vgl. vertiefend dazu nur Pinkernell, IStR 2013 S. 180-187). Es sei an dieser Stelle aber dahingestellt, ob die gute Stellung der US-amerikanischen digitalen Wirtschaft das Ergebnis einer weitsichtigen Industriepolitik ist. In jedem Fall ist der derzeitige Status quo ziemlich beeindruckend.

Die Bedeutung der digitalen Wirtschaft wird zukünftig allem Anschein nach noch zunehmen. Für die Wahrung unseres Wohlstands in Deutschland wäre es daher erstrebenswert, wenn wir in deutlich größerem Umfang mit Unternehmen in der digitalen Wirtschaft vertreten wären. Dabei denke ich weniger an einen (ohne Zweifel erfreulichen) Anteil an dem mit dem Bedeutungszuwachs einhergehenden Erfolg. Vielmehr sehe ich die Gefahr, dass sich die Entwicklungen im Bereich der digitalen Wirtschaft negativ auf die Wirtschaftsbereiche auswirken, auf die sich unser Wohlstand derzeit stützt (wie es sich bspw. in der Diskussion um die Zukunft der Mobilität zeigt; vgl. bspw. Schipper, „Die Auto-Attacke aus dem Silicon Valley“, FAZ-online vom 14.02.2015). Insbesondere bestünde bei neu hinzutretenden Intermediären zwischen „unserer Wirtschaft“ und den Kunden die Gefahr, dass die Gewinne (und die damit zusammenhängenden Steuereinnahmen) in anderen Ländern anfallen. Für diesen Wegfall bräuchte es einen adäquaten Ersatz.

Was sagt der Koalitionsvertrag?

Offensichtlich ist bei der großen Koalition durchaus Problembewusstsein vorhanden. Zumindest enthält der Koalitionsvertrag einige Passagen zu dem Thema (insb. in den Zeilen 347 ff., 365 ff., 403 ff., 1449 ff., 1898 ff., 2668 ff.). Fasst man die Ausführungen zusammen, lassen sich drei Schwerpunkte erkennen, in denen die Koalitionspartner Handlungsbedarf sehen: Innovationen, insb. im Bereich Digitalisierung, eine High-Tech-Strategie und Gründungen (allgemein und insb. im Bereich digitale Wirtschaft).

Auch haben die Koalitionäre erkannt, dass steuerliche Förderungen ein wichtiges Mittel zur Entwicklung in den drei Bereichen darstellen (siehe insb. die Zeilen 393 ff., 2668 ff. und 2837 ff.). Dies ist vernünftig, denn ohne staatliche Anreize wird keine deutliche und dauerhafte Bewegung in die Sache kommen. Als Anreize sind steuerliche Förderungen ein Mittel der Wahl. Neben der angedachten Förderung von Personal- und Auftragskosten für Forschung und Entwicklung (siehe die Zeilen 268 ff.) wäre auch an Lockerungen im Bereich der Beschränkungen des Verlustausgleichs und -abzugs sowie an die Ausweitung der steuerlichen Investitionsanreize für Gründer und KMU zu denken.

Nur Lippenbekenntnisse?

Irritierend ist dann aber, dass sich die zuvor genannten Schwerpunkte nicht in der Liste der prioritären Ausgaben wiederfinden (Zeilen 3055 ff.).

Die „Spielmasse“ Steuereinnahmen, über die die große Koalition in den nächsten Jahren verfügen darf, ist konjunkturbedingt erfreulich groß. Derzeit ist aber nicht zu ersehen, dass ein angemessener Teil der Spielmasse in die Förderung von (digitalen) Innovationen und der digitalen Wirtschaft und damit letztlich in die Zukunft unseres Wohlstands investiert wird.

Das legt den Verdacht nahe, dass es sich bei den Ausführungen zu den Schwerpunkten nur um Lippenbekenntnisse handeln könnte. Zumindest wird den Schwerpunkten nicht die gleiche Bedeutung beigemessen wie den explizit benannten prioritären Ausgaben. Dieser Verdacht wird durch einen anderen Aspekt erhärtet: Bei kritischer Durchsicht der Ausführungen zu den Schwerpunkten fällt deren geringer Konkretisierungsgrad ins Auge. Bspw. ist bei der angedachten Förderung von Personal- und Auftragskosten für Forschung und Entwicklung (siehe die Zeilen 268 ff.) nicht mal ansatzweise zu erkennen, was genau damit gemeint ist.

Auffällig ist darüber hinaus, dass die Bundesregierung auch etwa drei Monate, nachdem sie ihr Amt übernommen hat, noch keine entsprechenden Aktivitäten erkennen lässt. Zumindest lässt eine jüngst durchgeführte Recherche auf den Netzseiten des BMWI, des BMVI und des BMBF das nicht erkennen.

Handlungsbedarf!

Zu hoffen ist, dass die Bundesregierung möglichst bald steuerliche Förderungen von Innovationen und von Gründungen auf den Weg bringt – beides ganz allgemein, aber insb. im Bereich der digitalen Wirtschaft. Darüber hinaus braucht es die angesprochene mittel- und langfristige High-Tech-Strategie (Zeile 347 ff.). Hier wird es aber nicht genügen, wenn sich die Bundesregierung allein damit beschäftigt. Vielmehr sollte diese Strategie auf europäischer Ebene verankert und entwickelt werden. Aufmerksamkeit sollte dabei auch der Frage geschenkt werden, was die Erfolgsfaktoren der US-amerikanischen digitalen Wirtschaft sind. Wenn sich solche tatsächlich ausmachen lassen (über bloße Mutmaßungen hinausgehend), könnte dies ein erster Ansatzpunkt für die Strategie sein.