DER BETRIEB
M&A-Transaktionen: Kartellrechtliche Vorgaben für Pre-Closing Covenants und Informationsaustausch

M&A-Transaktionen: Kartellrechtliche Vorgaben für Pre-Closing Covenants und Informationsaustausch

RA Dr. Thorsten Mäger

Die Ausübung von Einfluss seitens des Erwerbers basierend auf Regelungen im M&A-Vertrag (Pre-Closing Covenants) und der Austausch von Informationen z.B. im Rahmen der Due Diligence oder zwischen Signing und Closing können gegen Kartellrecht verstoßen. Die aktuelle Fallpraxis in Verwaltung und Rechtsprechung verdeutlicht die Risiken eindrücklich.

RA Dr. Thorsten Mäger
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Im Rahmen einer M&A-Transaktion müssen die Parteien stets das Kartellrecht im Auge behalten. Dabei geht es zum einen um das fusionskontrollrechtliche Vollzugsverbot und zum anderen um das Kartellverbot. Ist eine Transaktion z.B. bei der EU-Kommission oder beim Bundeskartellamt anmeldepflichtig, darf sie vor behördlicher Freigabe nicht vollzogen werden (Vollzugsverbot). Hierunter fallen alle Rechtsakte, die den Zusammenschluss vollenden, sowie alle tatsächlichen Handlungen, die den Zusammenschluss vorwegnehmen. Sind Erwerber und Zielgesellschaft (Target) aktuelle oder potentielle Wettbewerber, müssen sie zudem das Kartellverbot beachten. Hierunter fällt auch ein Austausch wettbewerblich sensibler Informationen, d.h. solche Informationen, die Rückschlüsse auf das zukünftige Marktverhalten des Targets erlauben. Das Vollzugsverbot gilt bis zur behördlichen Freigabe des Zusammenschlusses. Das Kartellverbot ist demgegenüber bis zum Vollzug (Closing) der Transaktion zu beachten. Wenn nämlich das Closing doch nicht zustande kommt, sollen vorher nicht bereits „Fakten geschaffen“ worden sein. Sofern der Erwerber keine kontrollierende Beteiligung am Target erwirbt, gilt das Kartellverbot sogar über das Closing hinaus weiter fort.

Erfordernisse der M&A-Transaktion

Die praktischen Bedürfnisse einer M&A-Transaktion erfordern allerdings in bestimmtem Umfang einen frühzeitigen Informationsaustausch und Vorgaben des Erwerbers im Hinblick auf das Target. Bereits vor Vertragsabschluss (Signing) muss der Erwerber Zugang zu wettbewerblich sensiblen Informationen des Targets haben, um ein Kaufpreisangebot kalkulieren zu können. Ein Verstoß gegen das Kartellverbot wird dadurch vermieden, dass die sensiblen Informationen nur einem begrenzten Personenkreis (Clean Team) auf vertraulicher Basis zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus hat der Erwerber ein legitimes Interesse daran, sicherzustellen, dass das Target zum Closing immer noch dem entspricht, für das er sich verpflichtet hat, den Kaufpreis zu zahlen. Deshalb wird meist vertraglich geregelt, dass der Erwerber seine Zustimmung zu bestimmten Maßnahmen auf Seiten des Targets zwischen Signing und Closing erteilen muss. Ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot wird dadurch vermieden, dass der Zustimmungskatalog keine Beeinflussung des Marktverhaltens erlaubt. Im Einzelnen ist allerdings vieles unklar. Dies machen jüngste Entscheidungen auf europäischer und deutscher Ebene deutlich.

Altice-Entscheidung der EU-Kommission

Aufsehen erregt hat die Altice-Entscheidung der EU-Kommission vom 24.04.2018. Wegen Verstoßes gegen das Vollzugsverbot wurde gegen Altice ein Bußgeld von 124,5 Mio. € verhängt, weil Altice bereits zwischen Signing und Closing in das Marktverhalten des Targets, PT Portugal, „hineinregiert“ habe. Altice musste nach dem Unternehmenskaufvertrag bereits vor Closing seine Zustimmung zur Preispolitik und zu Kundenverträgen erteilen. In der Tat scheint der Zustimmungskatalog über die Punkte hinausgegangen zu sein, die erforderlich waren, den Wert des Targets zu erhalten und grundlegende Änderungen zu verhindern. Darüber hinaus hat die EU-Kommission allerdings auch die Übermittlung detaillierter Geschäftsinformationen von PT Portugal an Altice als unzulässig bewertet. Dies wirft Fragen auf. In der Bußgeldentscheidung (Case M.7993, Rn. 440) heißt es, Altice habe entscheidenden Einfluss ausgeübt, indem Informationen angefordert worden seien, zu denen nur ein Gesellschafter des Targets berechtigt gewesen sei und die nicht zwischen Wettbewerbern übermittelt werden sollten. Dies beschreibt jedoch nur einen Verstoß gegen das Kartellverbot. Der Erwerber erhält sensible Informationen über das Target, die er für sein eigenes Wettbewerbsverhalten nutzen kann. Ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot (den die EU-Kommission angenommen hat) wird daraus nur, wenn man sich hinzudenkt, dass der Erwerber Altice auf Basis der Informationen in die Lage versetzt wurde, in das Target „hineinzuregieren“ und dies auch geschah. Die bloße Möglichkeit zur Einflussnahme reicht für einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot nicht aus. Eine derartige Klarstellung findet sich in der Bußgeldentscheidung nicht. Dadurch wird die Abgrenzung zwischen Vollzugs- und Kartellverbot unklar. Man könnte einwenden, dass eine genaue Abgrenzung unterbleiben könne, weil beide Verbote gleichermaßen bußgeldbewehrt sind. Diese Annahme wäre aber falsch. Denn das Kartellverbot greift nur zwischen aktuellen und potentiellen Wettbewerbern.

Aktuelle Rechtsprechung

Unabhängig von der Altice-Entscheidung bereitet die Abgrenzung des Vollzugsverbots ganz grundsätzliche Schwierigkeiten, nämlich bei der Unterscheidung zwischen (unzulässigem) Teilvollzug und (zulässigen) Maßnahmen zur Vorbereitung des Closing. Klar abgrenzbar wäre das Vollzugsverbot, wenn es auf diejenigen Fälle beschränkt würde, in denen ein Zusammenschlusstatbestand vollendet wird. Dies entspricht dem Ansatz des EuGH im Fall Ernst & Young. Der EuGH hat die Kündigung des Kooperationsvertrages des Targets (KPMG Dänemark) mit KPMG vor dem Hintergrund des Erwerbs des Targets durch Ernst & Young nicht als Vollzugshandlung gewertet, da Ernst & Young hierdurch nicht die Möglichkeit zur Einflussnahme über das Target erhalten habe. Vom Vollzugsverbot erfasst werden danach nur solche Vorgänge, die zu einem Kontrollwechsel – dem einzigen Zusammenschlusstatbestand nach EU-Recht neben der Fusion – zumindest teilweise beitragen bzw. „erforderlich“ sind, um einen Kontrollwechsel zu erreichen (EuGH, Urteil vom 31.05.2018 – Rs. C-633/16, RS1276141, Rn. 49). Ganz anders der BGH im Hinblick auf das deutsche Vollzugsverbot im Fall Edeka/Kaiser‘s Tengelmann. Einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot hat der BGH bereits darin gesehen, dass bestimmte Maßnahmen – gemeinsamer Einkauf bzw. Teilnahme an einer Zentralregulierung – bei unabhängigen Unternehmen nicht zu erwarten wären und dadurch die Wirkungen des Zusammenschlusses teilweise vorweggenommen werden (Entscheidung vom 14.11.2017 – KVR 57/16, RS1260256, Rn. 60). Dabei sei es unerheblich, ob die Maßnahmen mit dem Kartellverbot vereinbar wären. Bestimmte Projekte, die Unternehmen nach Scheitern einer Transaktion umsetzen dürfen (weil insoweit nur das Kartellverbot zu beachten ist), sind danach während einer Transaktion (nach dem Vollzugsverbot) unzulässig. Dies erschwert es, während der Schwebezeit von – ggf. sehr langwierigen – Fusionskontrollverfahren gewisse Notlösungen zu vereinbaren. Das Vollzugsverbot immer weiter auszudehnen überzeugt nicht. Insbesondere ist eine echte kartellrechtliche Schutzlücke nicht erkennbar, weil die betreffenden Maßnahmen jedenfalls am Kartellverbot zu messen sind.

Ungeachtet der Abgrenzungsschwierigkeiten macht die jüngste Fallpraxis Folgendes deutlich: der Erwerber muss sich im Zeitraum zwischen Signing und Closing darauf beschränken, den Wert des Targets sicherzustellen und grundlegende Änderungen zu verhindern. Für die Übermittlung von wettbewerblich sensiblen Informationen des Targets muss ein legitimer Anlass bestehen und Vertraulichkeitsverpflichtungen müssen sicherstellen, dass die Informationen nicht zu einem frühzeitigen „Hineinregieren“ genutzt werden können. Strukturelle „Notlösungen“ vor Freigabe sollten im Zweifel mit den Kartellbehörden abgestimmt werden.