DER BETRIEB
Herausforderungen durch den internationalen Steuerwettbewerb

Herausforderungen durch den internationalen Steuerwettbewerb

StB Prof. Dr. Guido Förster

Der internationale Steuerwettbewerb fordert Deutschland steuerpolitisch heraus. Die Reformvorhaben anderer Industriestaaten werden auch in Deutschland eine Senkung der Unternehmenssteuersätze erforderlich machen, um Nachteile für den eigenen Standort abzuwenden.

StB Prof. Dr. Guido Förster
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Wettbewerbsgleichheit und internationaler Steuerwettbewerb

Unternehmen stehen mit ihren Produkten und Dienstleistungen im Wettbewerb zueinander. Der Fiskus partizipiert über Ertragsteuern am Unternehmenserfolg und über Verkehrsteuern an den Konsumentscheidungen der Abnehmer. Zur Sicherung der Markteffizienz sollten gleiche steuerliche Wettbewerbsbedingungen herrschen.

National kann der deutsche Gesetzgeber allein für die erforderliche Wettbewerbsgleichheit sorgen. International ist er aber nur einer von mehreren Fiski, die auf die Maximierung der eigenen Einnahmen und die Förderung der eigenen Unternehmen bedacht sind. Dies belegen das US-Steuerrecht und die Beihilfeverfahren in Sachen Apple, Starbucks und FIAT eindrucksvoll. Der deutsche Fiskus ist daher nicht nur gefordert,

  1. Wettbewerbsgleichheit im heimischen Markt zu gewährleisten,

  2. sondern sich auch als Wettbewerber in einem internationalen Steuerwettbewerb um Realinvestitionen und Arbeitsplätze zu behaupten.

Bislang gehört Deutschland zu den Top-Investitionszielen weltweit. Ein stabiles politisches System, die effektive Rechtsordnung, die Größe des Europäischen Binnenmarkts, die zentrale Lage Deutschlands in diesem Markt, das Bildungswesen und die Infrastruktur sind positive Standortfaktoren – allerdings gilt das Gleiche auch für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Vergleichbares für andere wichtige Industrieländer, wie z.B. die USA.

Weniger gut sieht es dagegen bei den steuerlichen Rahmenbedingungen aus: Deutschland ist ein Hochsteuerland, die Belastung geplanter Investitionsvorhaben ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, gewerbesteuerliche Hinzurechnungen führen zu einer Besteuerung von Aufwand und Verluste werden nur eingeschränkt berücksichtigt. Veränderungen in der Unternehmensbesteuerung zur Sicherung des deutschen Standorts sollten daher kein Tabu sein. Aus fiskalischer Sicht sollten hierbei die Beschäftigungseffekte im Vordergrund stehen: So beläuft sich nach der aktuellen Steuerschätzung vom November 2018 der Anteil der Unternehmensteuern (veranlagte ESt, KSt, GewSt) im Jahr 2017 auf ca. 19,3% des Gesamtsteueraufkommens, wohingegen der Anteil der beschäftigungsabhängigen Lohn- und Umsatzsteuer (incl. EUSt) insgesamt fast dreimal so hoch ist.

Internationaler Steuersatzwettbewerb

Der steuerliche Standortwettbewerb war in der Vergangenheit durch eine Senkung der Steuersätze bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage gekennzeichnet. Im Steuersatzwettbewerb war Deutschland bislang gemeinsam mit anderen großen Industriestaaten im hinteren Mittelfeld angesiedelt. So lag im Jahre 2016 der durchschnittliche deutsche KSt/SolZ/GewSt-Satz mit ca. 31% leicht oberhalb des Satzes von Japan und gleichauf mit Spanien und Italien, aber unterhalb des Satzes der USA und Frankreichs.

Hier droht jedoch eine deutliche Verschlechterung: Inzwischen sind die USA an Deutschland vorbeigezogen und weitere wichtige Industrieländer haben ebenfalls Senkungen der KSt-Sätze angekündigt: Frankreich eine schrittweise Reduzierung bis 2022 auf 25%, die Niederlande bis 2021 auf 20,5% und das Vereinigte Königreich bis 2020 auf 17%. Die KSt-Sätze in Italien, Luxemburg, der Slowakei und Ungarn wurden bereits 2017 gesenkt. Deutschland fällt hierdurch relativ gesehen auf den letzten Platz zurück.

Es ist empirisch gut belegt, dass die resultierenden Steuersatzdifferenzen Lenkungswirkungen entfalten: Kurzfristig werden sich Auswirkungen auf Verrechnungspreise und Finanzierungsstrukturen, langfristig auch auf Ansiedelungsentscheidungen und die Funktionsverteilung in Konzernen ergeben. Deutschland wird sich dem nicht entziehen können. Schätzungen auf Basis der Steuerelastizitäten von Direktinvestitionen beziffern den zu erwartenden Kapitalabfluss aufgrund der US-Steuerreform mit ca. 32 Mrd. € (Spengel et al., Ifo-Schnelldienst 4-2018 S. 4).

Das Argument „Den deutschen Unternehmen geht es gut“ greift in diesem Zusammenhang zu kurz. Es ist gegenwartsbezogen, während sich die Herausforderungen mit Blick auf die Zukunft stellen. Aufgrund der langen Vorlaufzeiten für wichtige Ansiedelungsentscheidungen muss den Steuersatzspreizungen bereits heute steuerpolitische Aufmerksamkeit geschenkt werden. Auch in Deutschland wird eine – ggf. schrittweise – Senkung der Unternehmensteuersätze erforderlich sein, deren Zielgröße wie in Frankreich bei etwa 25% liegt. Dass das BMF und auch das BMWi trotz seines steuer-politischen 10-Punkte-Aktionsprogramms hier aktuell noch keinen Handlungsbedarf sehen, ist gefährlich.

Abwehrgesetzgebung und Anreize

Nicht zielführend erscheint eine Konzentration auf bloße Abwehrmaßnahmen, da sie nur bestehende Investitionen betreffen und auf geplante Realinvestitionen einen abschreckenden Effekt haben. Zudem verfügt Deutschland bereits über eine starke Abwehrgesetzgebung. Ergänzungsbedarf ist hier kaum erkennbar, wohl aber Modernisierungsbedarf, z.B. bei der Hinzurechnungsbesteuerung (Inländerbeherrschung, Niedrigbesteuerungsgrenze, Aktiv-/Passivkatalog, systemwidrige gewerbesteuerliche Wirkungen), den Entstrickungsregeln und den Korrespondenzprinzipien.

Der Koalitionsvertrag verweist in diesem Zusammenhang auf eine weltweit möglichst breite Implementierung der OECD-BEPS-Verpflichtungen und -Empfehlungen zur Schaffung fairer steuerlicher Wettbewerbsbedingungen. Die Entwicklung der Steuersätze zeigt aber, dass der adressierte internationale Steuerwettbewerb bereits in vollem Gange ist. Daher sollte sich der gesetzgeberische Blick auch auf die Post-BEPS-Phase richten.

Über die erforderliche Absenkung der Unternehmensteuersätze hinaus könnte Deutschland weitere gezielte Anreize setzen, um seine steuerliche Standortattraktivität zu erhöhen und Beschäftigung zu fördern, wie dies auch im BMWi-Aktionsprogramm vorgesehen ist. Hierzu gehören etwa eine am Personaleinsatz und -aufwand orientierte steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung, der im Koalitionsvertrag angekündigte Ausbau des BZSt als zentrale serviceorientierte Anlaufstelle für Gebietsfremde bei steuerlichen Fragen und für verbindliche Auskünfte sowie eine verbesserte Verlustverrechnung. Im Hinblick auf das Ziel der Beeinflussung von Ansiedelungsentscheidungen und Funktionsverteilungen sollte allerdings die beabsichtigte Fokussierung der Forschungsförderung auf kleine und mittlere Unternehmen noch einmal überdacht werden.