DER BETRIEB
Gestaltung von Ausschlussklauseln im Arbeitsvertrag
Endlich geklärt: Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen müssen den gesetzlichen Mindestlohn berücksichtigen

Gestaltung von Ausschlussklauseln im Arbeitsvertrag

Endlich geklärt: Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen müssen den gesetzlichen Mindestlohn berücksichtigen

RA/FAArbR Dr. Alexander Wolff, LL.M.

Endlich äußert sich das BAG zur Wirksamkeit von vertraglich vorformulierten Ausschlussklauseln, die den Mindestlohnanspruch nicht ausklammern (Pressemitteilung zu BAG vom 18.09.2018 – 9 AZR 162/18). Bislang hatte sich das BAG nur zu tarifvertraglich vereinbarten Ausschlussklauseln verhalten.

RA/FAArbR Dr. Alexander Wolff, LL.M.
hbfm_db_2018_47_m4_a_1284719_a001.png

Rechtssicherheit und Rechtsklarheit haben im schnelllebigen Arbeitsrecht einen besonders hohen Stellenwert. Ausschlussklauseln sind daher im Arbeitsrecht seit jeher anerkannt. Das BAG rechtfertigt dies damit, dass ein potentieller Anspruchsgegner sich auf offene Forderungen rechtzeitig einstellen, Beweise sichern und gegebenenfalls Rücklagen bilden können müsse (vgl. zuletzt BAG vom 18.02.2016 – 6 AZR 628/14, RS1202130). Den Arbeitsvertragsparteien soll es daher gestattet sein zu vereinbaren, dass ihre Ansprüche innerhalb einer deutlich kürzeren Frist als die Verjährungsfrist – meist zwischen drei und sechs Monaten nach Bekanntwerden oder Fälligkeit – geltend zu machen, um den vom BAG hervorgehobenen Zweck zu erreichen.

Die Bedeutung von Ausschlussklauseln in der Praxis zeigt sich durch die jahrzehntelange Befassung der Arbeitsgerichte mit dem Thema. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer in Deutschland dürfte solchen Klauseln unterliegen, sei es aufgrund von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen, der Bezugnahme auf solche oder genuinen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen.

Mit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) im August 2014 öffnete sich eine „neue Baustelle“ im Recht der Ausschlussfristen. Es stellte sich nämlich die Frage, ob Ausschlussklauseln, die Ansprüche auf den Mindestlohn nicht ausdrücklich vom Erlöschen bei Versäumen der gesetzten Frist zur Geltendmachung ausnehmen, weiterhin wirksam sind.

Notwendigkeit der Differenzierung

Nach § 3 Satz 1 MiLoG sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. An dieser Formulierung entzündete sich alsbald der Streit, welche Rechtsfolge für Ausschlussfristen gelten, die ausnahmslos alle arbeitsvertraglichen Ansprüche einer bestimmten Frist zur Geltendmachung unterfallen lässt, ohne die Ansprüche auf den Mindestlohn auszuklammern.

Insbesondere in Bezug auf die arbeitsvertraglichen Ausschlussklauseln herrschte eine rege Diskussion. So nahmen das LAG Nürnberg (vom 09.05.2017 – 7 Sa 560/16, RS1242723 sowie dazu Hund/Morasch, DB 2017 S. 2294 und Laskawy/Ludwig, DB 2017 S. 2547) sowie das LAG Hamburg (vom 31.01.18 –33 Sa 17/17, RS1271107) an, dass eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehmen müsse. Zum einen bestimme der Wortlaut von § 3 Satz 1 MiLoG, dass eine solche Klausel eben nur „insoweit“ unwirksam sei, wie sie Mindestlohnansprüche erfasse. Zum anderen sei eine Klausel auch nicht intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern nur insoweit unwirksam. Ähnlich argumentierte das LAG Hamburg, das einen Verstoß gegen das Transparenzgebot aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips ablehnte.

Rechtsprechung des BAG

Während der 5. Senat des BAG noch um eine Entscheidung in der Sache herum kam (vom 20.06.2018 – 5 AZR 262/17), da das Zeitmoment zur Geltendmachung der Ansprüche wegen zur Hemmung nach § 203 Satz 1 BGB führender vorgerichtlicher Vergleichsverhandlungen noch nicht abgelaufen war, bekannte der 9. Senat in seinem Urteil vom 18.09.2018 (9 AZR 162/18) Farbe: In der bislang lediglich als Pressemitteilung veröffentlichten Entscheidung stellt das BAG klar, dass eine vom Arbeitgeber nach dem 31.12.2014 vorformulierte arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den gesetzlich garantierten Mindestlohn erfasst, gegen das Transparenzgebot verstoße und daher unwirksam sei. Danach ist bezüglich des Zeitpunkts der Vereinbarung der Ausschlussfrist zu differenzieren.

Für einen Arbeitsvertrag, der nach dem 31.12.2014 abgeschlossen worden wurde, ist aufgrund der neuen Rechtslage die Ausschlussklausel ggf. anzupassen und Ansprüche auf den Mindestlohn auszunehmen. Das kann bei der nächsten Änderung des Arbeitsvertrags geschehen. Und diejenigen, die die neue Rechtslage noch nicht in ihren Standardarbeitsverträgen reflektiert haben, müssten das schleunigst nachholen.

Der Pressemitteilung des BAG lässt sich nicht entnehmen, welche Regelung für Altverträge gelten soll, die vor dem 01.01.2015 abgeschlossen wurden. Überzeugend ist hierzu die Ansicht des LAG Hamburg aus dem der BAG-Entscheidung zugrunde liegenden Urteil. Bei Altverträgen sollte aufgrund der Verhältnismäßigkeit kein Verstoß gegen das Transparenzgebot anzunehmen sein, sondern sich die Unwirksamkeit „insoweit“ nur auf den Anspruch beziehen, soweit er den Mindestlohn betrifft.

Tarifliche und betriebliche Ausschlussklauseln

Für in Tarifverträgen geregelte Ausschlussklauseln hat sich das BAG bereits in seinem Urteil vom 20.06.18 (5 AZR 377/17) festgelegt. Demnach soll eine tarifvertragliche Ausschlussfrist nach § 3 Satz 1 MiLoG unwirksam sein, soweit sie auch den während Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlenden gesetzlichen Mindestlohn erfasst. Demnach anerkennt das BAG für tarifvertragliche Ausschlussklauseln eine geltungserhaltende Reduktion auf das gesetzliche Minimum, nämlich den Anspruch in Höhe des Mindestlohns.

Die tarifvertragliche Ausschlussklausel ist somit nicht insgesamt unwirksam. Macht der Arbeitnehmer demnach seine Ansprüche nicht innerhalb der in der Ausschlussklausel festgesetzten Zeit geltend, erlischt der Anspruch auf Zahlung des Betrags, der über die Höhe des Mindestlohns hinausgeht.

Diese Differenzierung ist letztlich Ergebnis der Einschränkung der AGB-Kontrolle auf Tarifverträge. Das Transparenzgebot sowie das Verbot geltungserhaltender Reduktion gelten hier gerade nicht. Die Entscheidung des BAG zu Ausschlussklauseln in Tarifverträgen kann auch auf entsprechende Regelungen in Betriebsvereinbarungen übertragen werden. Ebenso wie für Tarifverträge stellt § 310 Abs. 4 BGB klar, dass §§ 305 ff. BGB nicht auf Betriebsvereinbarungen anzuwenden sind. Somit können auch diesbezüglich das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion sowie das Transparenzgebot nicht greifen.

Auswirkungen der Rechtsprechung

Während es für Arbeitgeber dringend notwendig ist, arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln in Verträgen seit Inkrafttreten des MiLoG anzupassen bzw. bei neuen Verträgen den Anspruchsverfall in Höhe des Mindestlohns auszunehmen, bieten sich mit dem neuen Urteil des BAG für den Arbeitnehmer beratenden Anwalt neue Angriffsmöglichkeiten gegen säumige Arbeitgeber.