DER BETRIEB
Umsatzsteuer 2019: Alles gut beim Gutschein?!
Einzweck oder Mehrzweck – eine Neuregelung mit Klarstellungsbedarf

Umsatzsteuer 2019: Alles gut beim Gutschein?!

Einzweck oder Mehrzweck – eine Neuregelung mit Klarstellungsbedarf

Dr. Carsten Höink

Gutscheine sind sowohl beim Verbraucher als auch bei Unternehmen beliebt. Gerade zur Weihnachtszeit ist Hochkonjunktur für Gutscheine, und viele Unternehmen haben unzählige Gutscheine ausgegeben. Dabei war die umsatzsteuerrechtliche Behandlung bislang weder im Gesetz noch im UStAE geregelt. Dies führte sowohl in Deutschland, aber vor allem im Vergleich zu der Handhabung in anderen EU-Mitgliedstaaten zu erheblichen Differenzen. Die EU reagierte mit der Festlegung einheitlicher Grundsätze in der sog. Gutschein-Richtlinie, welche zum 01.01.2019 in das nationale UStG umgesetzt werden musste.

Dr. Carsten Höink
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Der nationale Gesetzgeber hat in den neuen § 3 Abs. 13-15 UStG sowie in Änderung des § 10 UStG die Umsatzbesteuerung bei Gutscheinen (neu) geregelt. Von nun an gilt es, zwischen Einzweckgutschein und Mehrzweckgutschein zu unterscheiden. Was auf dem ersten Blick einfach aussieht, wird in der Praxis doch eine Herausforderung und Umstellung. Insbesondere Wertgutscheine können nach der Neuregelung eine andere umsatzsteuerrechtliche Behandlung als bisher erfahren.

Die Neuregelung enthält erstmalig eine Definition des Oberbegriffs „Gutschein“. Die bisherige Unterscheidung von Wert- und Warengutscheinen, wie sie in den wenigen bisherigen Verfügungen der Finanzverwaltung verwendet wurde, ist durch die neue Definition von Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen ersetzt worden. Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweckgutschein) ist ein Instrument, bei dem (1.) die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und (2.) der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.

Dabei vereinnahmt das Umsatzsteuerrecht den Begriff „Gutschein“, denn Rabatt- und Nachlassgutscheine oder andere Varianten, welche o.g. Definition nicht erfüllen, sind nicht von der Regelung umfasst. Die Rabattgewährung an sich ist nicht wie ein Gutschein zu besteuern. Es handelt sich um eine Minderung der Bemessungsgrundlage im Zeitpunkt der Einlösung des Rabattgutscheins. Gleichermaßen sind die Gutscheinregelungen nicht auf Fahrscheine, Eintrittskarten für Theater, Kino und Museum etc. und Briefmarken anwendbar.

Einzweckgutscheine sind dadurch gekennzeichnet, dass sie alle umsatzsteuerrelevanten Informationen (d.h. insbesondere den Ort der Leistung und den Steuersatz) beinhalten. Aus diesem Grund wird die Umsatzbesteuerung bei ihnen auf den Zeitpunkt der Gutscheinausgabe (vor-)verlagert. Die Ausstellung eines Einzweckgutscheins sowie dessen Weitergabe wird folglich in der Umsatzsteuer so behandelt wie die Warenlieferung oder Dienstleistung selbst. Somit wird mit Ausgabe oder Weitergabe die Umsatzsteuer für den zugrunde liegenden Umsatz ausgelöst.

Mehrzweckgutscheine weisen diese Konkretheit nicht auf, weshalb die Umsatzbesteuerung erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung stattfindet. Ein Mehrzweckgutschein liegt vor, wenn es sich nicht um einen Einzweckgutschein handelt. Es muss also ein für die Besteuerung notwendiges Kriterium unbekannt sein. Dann ist die Ausgabe oder Weitergabe eines Mehrzweckgutscheins gegen Geld lediglich ein Umtausch von Geld gegen (Gutschein-)Geld und damit ein nichtsteuerbarer Vorgang.

Für Gutscheine, die vor dem 01.01.2019 ausgestellt wurden, gilt die bisherige, alte Rechtslage fort.

Klarstellungsbedarf

Die Neuregelung sieht auf den ersten Blick einfach und plausibel aus. Im Detail bedarf die Anwendung dann aber der Klarstellung. Ein einführendes BMF-Schreiben ist bislang nicht ergangen bzw. in Sicht, so dass die Unternehmen erst einmal selbst gefordert sind. Die wesentliche Frage ist, ab wann ein Einzweckgutschein vorliegt.

Ein Einzweckgutschein liegt vor, wenn die für die Besteuerung maßgebenden Parameter bereits bei seiner Ausgabe feststehen. Damit ist die Ausgabe eines Gutschein über ein bestimmtes Buch in der Buchhandlung der Gemeinde, eine CD im örtlichen Musikladen oder einen Besuch nach Wahl im Kino der Stadt (nur die Eintrittsberechtigung ohne Speisen) bereits die Leistung und unmittelbar Umsatzsteuer auslösend.

Die Praxis benötigt nun eine Antwort auf die Frage, ab wann alle Parameter feststehen. Reicht es bereits aus, wenn die Leistungsart, der Leistungsort und der Steuersatz (ohne jetzt die wirkliche spätere Leistung bei Einlösung zu kennen) dem Grunde nach bereits bestimmbar sind? Die Neuregelung führt zu diesem Ergebnis.

Ist demnach ein Wertgutschein über 50 € für Mineralölprodukte einer inländischen Tankstellenkette bereits ein Einzweckgutschein, da die Leistung (Lieferung), der Brutto- und Nettopreis, der Leistungsort Inland (ohne den Ort zu kennen) und der Steuersatz von 19% bereits feststehen? Wie verhält es sich bei einem Gutschein für ein Frühstücksbuffet in einem Café oder ein Wellness-Wochenende eines Hotels in Deutschland oder einem Wertgutschein, einzulösen in einer inländischen Modeboutique, sowie der Gutschein des Friseurs oder des Lieblingsrestaurants in der Nachbarschaft?

Sicher sein, keinen Einzweckgutschein auszugeben, kann nur derjenige, der ein Kriterium der Besteuerung im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins noch offenlässt. So z.B. könnte die Tankstellenkette den Wertgutschein nicht nur als Gegenleistung für die Lieferung von Mineralölprodukten, sondern auch als Gegenleistung für 7%-Nahrungsmittel im Tankstellenshop akzeptieren. Die Modeboutique könnte auch Postkarten zum Verkauf anbieten und das Restaurant auch Essen zum Mitnehmen anbieten. Aber auch die nicht nur theoretische Möglichkeit, den Gutschein auch im Ausland einlösen zu können, wäre eine Möglichkeit.

Der Einzweckgutschein ist auch bereits aus anderen Gründen in der kurzen Zeit seit seiner Einführung unbeliebt beim Unternehmer. Die spätere Nichteinlösung eines Einzweckgutscheins ist keine Minderung der Bemessungsgrundlage; es sei denn, der Gutschein und das Geld werden rückabgewickelt. D.h. wenn ein Gutschein nicht eingelöst wird, bleibt es bei der ursprünglichen Besteuerung.

Ein Einzweckgutschein wird kaum einer Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhrlieferung zugänglich sein. Und die Ausgabe der Ware gegen Gutschein oder die Einlösung der Dienstleistung sind keine neuen Umsatzgeschäfte. Was tun, wenn der Gutschein für einen neuen Reisekoffer eingelöst wird? Es bedarf der Ausgabe des Koffers aus dem Warenbestand, ohne dass die Umsatzsteuer eine erneute Besteuerung vornimmt. Wie kann das in der Kasse verbucht werden? Wann wird die Rechnung, wann der Garantienachweis auszustellen sein? Es zeigt sich, dass die Verbuchung nach den neuen Regeln ebenfalls umgestellt werden müsste.

Besondere Regelungen gelten auch dann, wenn eine andere Person den Gutschein im eigenen Namen oder gar im fremden Namen ausgeben wird. In einigen Fällen wird dann eine Vertriebs- oder Absatzförderungsleistung anzunehmen sein.

Beim Mehrzweckgutschein ist erst die Einlösung des Gutscheins die die Umsatzsteuer auslösende Leistung, da dann die Lieferung oder Dienstleistung erbracht wird. Interessant ist es aber dann, wenn der Nennwert des Gutscheins ein anderer ist als der tatsächliche Ausgabepreis (z.B. Gutschein eines Friseursalons über 100 € Nennwert zum Angebotspreis i.H.v. 80 €). Hier regelt der neue § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG, welcher ebenfalls seit 2019 neu eingeführt wurde, dass der Nennwert maßgebend ist, wenn nicht der tatsächliche Wert nachgewiesen werden kann. Hier wird man mehr denn je nun pro Gutschein den Wert aufzeichnen und den Gutschein eindeutig kennzeichnen müssen, um nicht im Zweifelsfall übermäßig mit Umsatzsteuer belastet zu sein.

Fazit

Die Probleme stecken im Detail. Die auf den ersten Blick einfach und handhabbar daherkommende Neuregelung hat in der Abgrenzung der Gutscheinarten untereinander und deren Abwicklung für die Unternehmen einigen Umstellungsbedarf parat. Unternehmen müssen nun handeln – wünschenswert wäre, dass die Finanzverwaltung zeitnah ihre Ansichten darstellt. Mit etwas Umstellung wird die Neuregelung aber auch derzeit schnell handhabbar. Im Fazit gilt für viele Unternehmer im Handel ein Grundsatz: bloß kein Einzweckgutschein!