DER BETRIEB
Recht auf Arbeit im Homeoffice – bald gesetzlich geregelt?
Avisierter Gesetzentwurf des BMAS zu einem „Recht auf Heimarbeit“

Recht auf Arbeit im Homeoffice – bald gesetzlich geregelt?

Avisierter Gesetzentwurf des BMAS zu einem „Recht auf Heimarbeit“

RA Dr. Björn Otto / RAin Dr. Ricarda Müller

Nach derzeitiger Planung des BMAS soll es Arbeitnehmern künftig erleichtert werden, von der eigenen Wohnung aus arbeiten zu dürfen. Die Autoren erläutern den rechtlichen Hintergrund eines Anspruchs auf Arbeit im Homeoffice und erklären, worauf Unternehmen zu achten haben, wenn sie Tele(heim)arbeit einführen.

RA Dr. Björn Otto
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RAin Dr. Ricarda Müller
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Mehr Flexibilität, Ersparnis von Fahrtkosten, die Aussicht auf bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie – es gibt viele Gründe, warum sich knapp 40% der Arbeitnehmer in Deutschland, die bisher noch nicht im Homeoffice tätig sein dürfen, zumindest die Option wünschen, zu Hause zu arbeiten. Was ist jedoch für den Arbeitgeber zu tun, wenn ein Mitarbeiter Homeoffice-Arbeit beantragt? Ist er ggf. sogar verpflichtet, dem Ersuchen des Arbeitnehmers nachzukommen?

Derzeitige Rechtslage in Deutschland

Ein gesetzlich verankertes Recht des Arbeitnehmers auf Arbeit im Homeoffice gibt es in Deutschland bislang nicht. Lediglich § 16 Abs. 1 Satz 2 Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) bestimmt für den öffentlichen Dienst, dass der Dienstherr dem Beschäftigten einen Tele(heim)arbeitsplatz anzubieten hat, wenn dieser mit Familien- oder Pflegeaufgaben betraut ist und die Arbeit außerhalb der Dienststätte im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten liegt.

Auch die aus § 241 Abs. 2 BGB resultierenden Rücksichtnahmepflichten zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG vom 24.10.2018 – 10 AZR 69/18, RS1290720, Rn. 24 f.) gebieten es i.d.R. nicht, dem Arbeitnehmer die Arbeit im Homeoffice zu gestatten. Der Arbeitgeber kann allenfalls gehalten sein, im Rahmen seines Direktionsrechts nach billigem Ermessen über den Wunsch nach Tele(heim)arbeit zu entscheiden (LAG Hessen vom 18.12.2014 – 5 Sa 378/14, RS1049222, Rn. 31 ff.; vgl. BAG vom 19.05.2010 – 5 AZR 162/09, DB 2010 S. 2056, Rn. 27 ff.).

Ein Recht auf Gewährung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes kann sich allerdings aus entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen oder aus einer Betriebsvereinbarung ergeben. Zahlreiche, insbesondere größere Unternehmen wie z.B. IBM, Bosch und Siemens haben hiervon bereits Gebrauch gemacht und entsprechende Kollektivvereinbarungen abgeschlossen (s. Übersicht bei Thüsing, SR 2016 S. 87 [100]). Auch zahlreiche Tech-Firmen sowie Start-Ups bieten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, ganz oder teilweise von zu Hause aus zu arbeiten. Neben einer Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit spielen dabei häufig Flexibilitätserwägungen und die Hoffnung auf eine Einsparung von (Büro-)Kosten eine Rolle. Oftmals, insb. in kleineren Unternehmen, ist das Homeoffice allerdings lediglich eine Option, die nur vorbehaltlich der Abstimmung im Einzelfall, nicht aber als allgemeiner Anspruch eingeräumt wird.

Was ist geplant?

Die bisherige Rechtslage soll sich jedoch nach einem Vorstoß aus dem BMAS bald ändern: Wie Böhning, Staatssekretär im BMAS, gegenüber dem Spiegel (Heft 2/2019 S. 10) geäußert hat, ist derzeit geplant, ein gesetzliches Recht auf Arbeit im Homeoffice zu schaffen. Nach den Vorstellungen Böhnings soll der Arbeitgeber ein entsprechendes Begehren des Arbeitnehmers – unter hinreichender Begründung – aber auch ablehnen können. Ein „Recht“ im Sinne eines schrankenlosen Anspruchs des Arbeitnehmers auf Homeoffice-Arbeit ist somit also nicht beabsichtigt.

Vorbild aus den Niederlanden

Eine ähnliche Regelung besteht mit Art. 2 des „Wet flexibel werken“ (WfW) seit dem 01.01.2016 in den Niederlanden. Auch die niederländische Vorschrift räumt den Arbeitnehmern kein bedingungsloses Recht auf häusliche Telearbeit ein. Der Arbeitgeber ist lediglich verpflichtet, einen entsprechenden Antrag mit dem Mitarbeiter zu beraten und eine negative Entscheidung schriftlich zu begründen (Art. 2 Abs. 4, 6 WfW). An bestimmte (betriebliche) Ablehnungsgründe ist der Arbeitgeber dabei nicht gebunden, das Gesetz überlässt ihm an dieser Stelle einen breiten Spielraum. Zutreffend wird dieser Mechanismus auch als „a right to ask, a duty to consider“ bezeichnet (Achenbach, Bedrijfsjuridische Berichten 2016 S. 105 [106]). Kleinbetriebe sind von den Vorgaben des Art. 2 WfW gänzlich befreit; die Vorschrift ist gem. Art. 2 Abs. 16 WfW nur anwendbar, wenn der Arbeitgeber mindestens zehn Arbeitnehmer beschäftigt.

Neben den Niederlanden sind auch in anderen EU-Mitgliedstaaten wie etwa Polen, Ungarn und Portugal gesetzliche Bestimmungen zur Arbeit im Homeoffice zu finden. Eine unionsrechtliche Verpflichtung zum Erlass solcher Regelungen besteht indes nicht. Die 2002 im Rahmen des europäischen Sozialen Dialogs geschlossene Rahmenvereinbarung über Telearbeit ist nicht verbindlich. Da sie auf nationaler Ebene umgesetzt werden soll (Art. 1 Abs. 5, Art. 12 Rahmenvereinbarung Telearbeit, Art. 155 Abs. 2 UAbs. 1 AEUV), obliegt es allein den Mitgliedstaaten bzw. deren Sozialpartnern, darüber zu entscheiden, ob sie die Regelungen der Vereinbarung übernehmen (Krebber, in: Calliess/Ruffert [Hrsg.], EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 155 Rn. 21, 32).

Was ist bei der Einführung von Arbeit im Homeoffice zu beachten?

Die Frage, ob und inwiefern ein Unternehmen Homeoffice-Arbeitsplätze einführen möchte, betrifft eine unternehmerische Entscheidung, die (bislang) allein dem Arbeitgeber obliegt. Der Betriebsrat kann die Einführung von Tele(heim)arbeit also weder verbieten noch erzwingen. Gleichwohl kann die Ausgestaltung der Arbeit im Homeoffice Gegenstand verschiedener Beteiligungsrechte des Betriebsrats sein (näher Schulze/Ratzesberger, ArbRAktuell 2016 S. 109). So ist der Betriebsrat z.B. umfassend über die Einführung von (häuslicher) Telearbeit zu unterrichten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) und darüber hinaus gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG bei Fragen zur Verteilung und Festlegung der täglichen Arbeitszeit im Homeoffice einzubeziehen. Je nach Umfang der Umgestaltung kann Homeoffice-Tätigkeit auch als grundlegende Änderung der Betriebsorganisation gem. § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG interessenausgleichs- und – bei Vorliegen wirtschaftlicher Nachteile – sozialplanpflichtig sein (Annuß, in: Richardi [Hrsg.], BetrVG, 16. Aufl. 2018, § 111 Rn. 109). Weitere Beteiligungsrechte können sich außerdem aus § 99 Abs. 1 BetrVG ergeben: Wird einem bisher in den Büroräumen des Arbeitgebers tätigen Mitarbeiter ein Homeoffice-Arbeitsplatz zugewiesen, bedarf diese regelmäßig als Versetzung i.S.d. § 95 Abs. 3 BetrVG zu qualifizierende personelle Einzelmaßnahme der Zustimmung des Betriebsrats (Schulze/Ratzesberger, ArbRAktuell 2016 S. 109).

Elemente einer möglichen Betriebsvereinbarung

Sollte eine Betriebsvereinbarung zur Tele(heim)arbeit abgeschlossen werden, empfiehlt es sich, neben den ohnehin mitbestimmungspflichtigen Aspekten auch weitere Regelungen zur konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit im Homeoffice aufzunehmen.

Geregelt werden sollten u. a. die Einzelheiten zur Überlassung von Arbeitsmitteln durch den Arbeitgeber sowie Vorgaben zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Da die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes auch bei Arbeit im Homeoffice gelten (vgl. zu der Entschließung des Bundesrats „Arbeitszeiten an die Herausforderungen der digitalisierten Arbeitswelt anpassen“, BR-Drucks. 24/19), ist außerdem sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer dessen Vorgaben (z.B. zu Ruhezeit und Ruhepausen, §§ 4, 5 ArbZG) beachtet und seine Arbeitszeit ggf. auch dokumentiert. Sinnvoll dürfte es darüber hinaus auch sein, dem Arbeitgeber ein Zutrittsrecht zur Wohnung des Arbeitnehmers einzuräumen, damit er dort seinen arbeitsschutzrechtlichen (Kontroll-)Pflichten nachkommen kann. Insb. bleibt der Arbeitgeber auch bei Arbeitsplätzen im Homeoffice zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 ArbStättV verpflichtet und hat dafür Sorge zu tragen, dass der (Bildschirm-)Arbeitsplatz den in Nr. 6 der Anlage zur ArbStättV vorgesehenen Anforderungen entspricht (zum Ganzen Ricken, in: Besgen/Prinz (Hrsg.), Arbeiten 4.0 – Arbeitsrecht und Datenschutz in der digitalisierten Arbeitswelt, 4. Aufl. 2018, Rn. 51 ff.). Ist kein Betriebsrat gebildet oder soll Tele(heim)arbeit nur im Einzelfall eingerichtet werden, ist es ratsam, die oben aufgeführten Punkte in einer (schriftlichen) Homeoffice-Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer zu regeln.

Fazit/Ausblick

Sollte ein Gesetzesentwurf für ein Recht auf Tele(heim)arbeit erstellt werden, ist zu erwarten, dass hiermit kein uneingeschränkter Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeit im Homeoffice verbunden sein wird. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass der Entwurf einen Schritt weiter geht als das niederländische WfW und die Zurückweisung eines Homeoffice-Antrags nur in bestimmten Fallkonstellationen zulässt. Denkbar wäre z.B. eine Regelung in Anlehnung an § 8 TzBfG, nach dem der Arbeitgeber ein Gesuch des Mitarbeiters auf Verringerung der Arbeitszeit nur aus betrieblichen Gründen ablehnen darf (§ 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG). Um Kleinbetriebe vor einer Überforderung durch die aus einem Recht auf Tele(heim)arbeit resultierenden Konsequenzen zu schützen, wäre außerdem zu erwägen, diese nach dem Vorbild des niederländischen WfW oder der Mindestbetriebsgrößen aus anderen deutschen Gesetzen (z. B. § 2 Abs. 1 Satz 4 Familienpflegezeitgesetz, § 8 Abs. 7 TzBfG sowie § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BEEG) aus dem Anwendungsbereich einer gesetzlichen Regelung zum Recht auf Arbeit im Homeoffice auszunehmen.