DER BETRIEB
Was macht eigentlich die AStG-Reform?

Was macht eigentlich die AStG-Reform?

StB Dipl.-Kfm. (FH) Oliver Mattern

Es ist nun bald drei Jahre her, dass der Rat der EU im Rekordtempo die Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts, bekannt als ATAD, erlassen hat.

StB Dipl.-Kfm. (FH) Oliver Mattern
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Die Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie sollten bis zum 31.12.2018 veröffentlicht und erlassen werden. Für Deutschland betrifft dies insb. die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung (Art. 7 und 8 der Richtlinie).

Der deutsche Gesetzgeber lässt sich indessen Zeit mit der notwendigen Anpassung und verweist gerne darauf, dass die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung bereits das durch die Richtlinie vorgegebene Schutzniveau übertreffen. Dies stimmt bei genauerer Betrachtung nicht, wie sich am Beispiel von Lizenz- oder Finanzunternehmen feststellen lässt. So nimmt Deutschland den Zustand der Vertragsverletzung derzeit hin.

Die Stpfl. warten aber aus einem anderen Grund ungeduldig auf die Veröffentlichung des Gesetzentwurfs: Nicht zuletzt durch Äußerungen von Vertretern des BMF wird die Hoffnung genährt, dass die überfällige Reform von Vorschriften des AStG mit überschießender Wirkung durch das Gesetzesvorhaben gleich miterledigt wird. Eine Forderung, die bereits im Rahmen von BEPS laut geworden ist (vgl. die Empfehlungen einer Arbeitsgruppe des Wirtschaftsrats der CDU, der der Verfasser angehörte: Eilers/Benz u.a., IStR 2016 Beihefter 1 S. 8 ff.). Im Einzelnen geht es um folgende Punkte:

Niedrigsteuersatz

Zuvorderst steht der seit Längerem bestehende Ruf nach einer Senkung des Niedrigsteuersatzes, der derzeit durch die GewSt-Pflicht des Hinzurechnungsbetrags zu einer Strafbesteuerung führt. Dem Vernehmen nach besteht Konsens über eine Anpassungsnotwendigkeit, allein die Höhe ist umstritten. Dabei darf der Niedrigsteuersatz nicht einer politischen Schacherei der Länder überlassen werden. Zur Beseitigung des Strafcharakters gibt es nur eine Antwort: Er darf höchstens 15% betragen. Bei einem höheren Niedrigsteuersatz ist eine Entlastung für die gewerbesteuerliche Zusatzbelastung zu fordern.

Reform der Beherrschungsdefinition

Die Definition für eine „Deutschbeherrschung“ unterliegt in der geltenden Rechtslage einem strukturellen Vollzugsdefizit, da die Hinzurechnungsbesteuerung bereits bei einer Vielzahl von unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern greift, wenn diese zusammen die Mehrheit an der Gesellschaft halten, ohne dass eine Ausnahme für börsennotierte Unternehmen besteht. Vergleichbares gilt für den Bereich der Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter, in dem bereits Kleinstbeteiligungen die Hinzurechnungsbesteuerung auslösen können. Zu begrüßen ist daher, dass der Gesetzgeber zumindest für die Frage der Deutschbeherrschung künftig auf den einzelnen Anteilseigner und ihm nahestehende Personen abstellen möchte. Darüber hinaus ist eine Abschaffung der niedrigen Beteiligungsquoten für Tätigkeiten mit Kapitalanlagecharakter zu fordern, da der administrative Aufwand hier in keinem Verhältnis zu den Steuereinnahmen steht und zudem die ATAD eine solche Sonderregelung nicht kennt.

Reform des Aktivitätskatalogs

Die ATAD sieht anders als im deutschen Recht einen Passivkatalog vor. Dieser hat durch die abschließende Definition der hinzurechnungspflichtigen Einkünfte klare Vorteile. Bleibt Deutschland beim Aktivkatalog, sollten erstens die Einschränkungen bei Handel und Dienstleistungen fallen gelassen werden und eine Hinzurechnungsbesteuerung nur nach der Vorgabe der Richtlinie für Abrechnungsunternehmen erfolgen.

Zweitens sollten die bei Konzernumstrukturierungen behindernden Vorschriften des § 8 Abs. 1 Nr. 9 und 10 AStG von der Beschränkung bei Kapitalanlagevermögen befreit werden, da der Nachweis praktisch kaum geführt werden kann und systematisch kein Grund hierfür besteht.

Und drittens muss für Dividenden eine systematisch zutreffende Einordnung erfolgen, die insb. Doppelbelastungen vermeidet. Greift die Hinzurechnungsfolge auch in Zukunft in einem mehrstufigen Konzern auf jeder Stufe, ist eine Ausnahme von Dividenden aus der Hinzurechnungsbesteuerung auch künftig gerechtfertigt.

Immerhin für die letzten beiden Punkte scheint der Gesetzgeber Verständnis aufzubringen.

Gegenbeweis

Eine weitere Baustelle ist der Gegenbeweis des § 8 Abs. 2 AStG. Hier stellt sich die Praxis der Finanzverwaltung sehr restriktiv dar und die Grundsätze des EuGH, die in jüngerer Zeit bestätigt wurden, finden oft keine Beachtung. Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber in diesem Punkt der Versuchung widersteht, den Gegenbeweis in europarechtswidriger Weise einzuschränken. Vielmehr wären eine gesetzliche Konkretisierung sowie die Erweiterung des Gegenbeweises auf Drittstaatenbeteiligungen zu begrüßen. Dies wäre auch angesichts eines bevorstehenden Brexits ein Beitrag zur Rechtssicherheit.

Standortsicherung Deutschlands im Blick behalten

Es kann nicht genug betont werden, dass eine Reform des AStG vor dem Hintergrund des anhaltenden internationalen Steuerwettbewerbs und der jüngsten Konsultation der OECD zu den Herausforderungen der Besteuerung der digitalen Wirtschaft mit Augenmaß erfolgen sollte, um deutsche Unternehmen nicht zu benachteiligen. Schon die OECD hat in ihrem Aktionspunkt 3 gefordert, dass in der Ausgestaltung von Hinzurechnungsbesteuerungsregelungen die Balance zwischen dem Besteuerungszugriff auf Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften und der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen, die mit solchen Regelungen einhergehen können, gewahrt bleiben muss (OECD, Action 3, 05.10.2015, Rn. 14, http://hbfm.link/4829).

In die Betrachtung muss weiterhin einbezogen werden, dass die OECD auf Vorschlag Frankreichs und Deutschlands eine neue „Income Inclusion Rule“ diskutiert, um Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften noch weitergehender zu besteuern. Daher sollten die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung auf die ursprüngliche Zielsetzung beschränkt werden und nicht wesentlich über das hinausgehen, was in der ATAD als Mindestschutzniveau definiert ist.

Zwischenzeitlich kursiert ein erster unveröffentlichter Gesetzentwurf, der die obigen Aspekte teilweise berücksichtigt. Gleichwohl ist dieser nicht weitreichend genug und enthält überdies einige kritische Verschärfungen. Hier besteht noch erheblicher Nachbesserungsbedarf.