DER BETRIEB
Der „neue“ Vergütungsbericht nach dem ARUG II-RegE: Der falsche Weg

Der „neue“ Vergütungsbericht nach dem ARUG II-RegE: Der falsche Weg

Prof. Dr. Patrick Velte

Nach dem ARUG II-RegE ist ein zwingender Ausweis des Vergütungsberichts auf der Internethomepage des betreffenden Unternehmens und eine Begrenzung auf eine formelle Pflichtprüfung vorgesehen. Beides konterkariert die Entscheidungsnützlichkeit.

Prof. Dr. Patrick Velte
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In jüngerer Zeit wird die Betriebswirtschaftslehre im Allgemein sowie das Finanz- und Rechnungswesen im Speziellen durch die Einflüsse der Nachhaltigkeit geprägt. Ein wesentlicher Motor dieser Bewegung sind in diesem Kontext die vielfältigen Regulierungsinitiativen der EU-Kommission, die durch die CSR-Richtlinie 2014, die aktualisierte Aktionärsrechte-Richtlinie 2017 und den Aktionsplan „Sustainable Finance“ 2018 verdeutlicht werden. In diesem Kontext wird wieder einmal deutlich, dass gesellschaftliche Verantwortung und BWL keine „zwei Paar Schuhe“ sind, sondern in Forschung und Praxis gemeinsam gedacht werden müssen. Neben der Bedeutungszunahme von Nachhaltigkeitsberichten und integrierten Berichten beziehen immer mehr institutionelle Investoren als sog. „socially responsible investors“ Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG-Performance) in ihre Analyseentscheidungen ein. Damit wird das traditionelle „Silodenken“ von Finanzberichterstattung und nichtfinanziellem Reporting mehr und mehr durchbrochen. Eine angemessene Informationsversorgung des Kapitalmarkts über die Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat stellt dabei eine wichtige Zielsetzung dar, welche die EU mit der neugefassten Aktionärsrechterichtlinie 2017/828 verfolgte.

Nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II-RefE) durch das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) am 11.10.2018 wurden einzelne Reformvorschläge kontrovers im Fachschrifttum und in abgegebenen Stellungnahmen diskutiert. Am 20.03.2019 hat die Bundesregierung nun einen Gesetzentwurf für ein ARUG II vorgelegt. Wenngleich die Zielsetzung einer schonenden „1:1“-Umsetzung bei der Transformation der Say-on-Pay-Regulierungen erfolgreich ist, lassen sich analog zum RefE schwerwiegende Bedenken beim „neuen“ Vergütungsbericht nach § 162 AktG-E identifizieren.

Vergütungsbericht (§ 162 AktG-E) neben Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f HGB)

Mit Ausnahme der Änderung des Terminus „Vergütungspolitik“ in „Vergütungssystem“ (§ 87a AktG-E), der auch im bisherigen Vergütungsbericht in § 289a Abs. 2 HGB Verwendung findet, sieht der RegE gegenüber dem RefE keine gewichtigen inhaltlichen Neuerungen beim Vergütungsbericht vor. Weiterhin nicht überzeugend ist zunächst die geplante Herauslösung des Vergütungsberichts aus dem handelsrechtlichen (Konzern-)Lagebericht ins Aktienrecht, um die inhaltliche Nähe zur Entsprechenserklärung herzustellen. Allerdings soll der Vergütungsbericht zwingend auf der betrieblichen Internetseite eingestellt werden und nicht – wie die Entsprechenserklärung – als Teilmenge der Erklärung zur Unternehmensführung (Corporate Governance Statement) nach § 289f HGB fungieren. Da die Berichterstattung über die Vergütung des Vorstands und Aufsichtsrats eine zentrale Komponente der Corporate-Governance darstellt, wäre zumindest eine Einbettung des Vergütungsberichts in § 289f HGB die logische Konsequenz gewesen. Zudem ist die Organvergütung eine unverzichtbare Säule einer Nachhaltigkeitsberichterstattung nach (inter)national anerkannten Rahmenwerken (z.B. nach GRI) sowie einer integrierten Berichterstattung (z.B. nach IIRC-Framework). Informationsdubletten ließen sich insofern nur mithilfe einer integrierten Berichterstattung sinnvoll abbauen. Wie der nationale Gesetzgeber allerdings in Zeiten von Informationsüberflutung und „Green-Washing“-Gefahr der Unternehmenskommunikation ein weiteres neues Publizitätsinstrument sachlich rechtfertigen kann, bleibt unklar.

Begrenzung auf eine formelle Prüfungspflicht für den Vergütungsbericht

Auch die geplanten Regelungen zur Prüfung des Vergütungsberichts (§ 162 Abs. 3 AktG-E) sind abzulehnen. Aus guten Gründen sind die Anhangangaben und die Informationen im (Konzern-)Lagebericht zur Vorstandsvergütung nach § 317 Abs. 2 HGB bislang inhaltlich durch den Abschlussprüfer zu würdigen. Da der Aufsichtsrat im deutschen Two-Tier System für die Einrichtung und Fortentwicklung des Vergütungssystems für den Vorstand zuständig ist, der neue Vergütungsbericht nach § 162 AktG-E auch (individuell) über die Bezüge des Aufsichtsrats zu informieren hat und beide Organe gemeinsam den Bericht erstellen sollen, scheidet der Aufsichtsrat aufgrund von Selbstprüfung als neutrale Instanz der Prüfung des Vergütungsberichts regelmäßig aus. Dennoch sieht der RegE lediglich eine formelle Prüfung des Vergütungsberichts durch den Abschlussprüfer vor. Fraglich ist der Informationsnutzen des Vermerks für die Öffentlichkeit, der das Ergebnis der formellen Prüfung des Vergütungsberichts durch den Abschlussprüfer künftig beinhalten soll. Anders als bei der nichtfinanziellen Erklärung ist die Prüfung des Vergütungsberichts für den Abschlussprüfer mit geringeren Quantifizierungsproblemen und mit langjährigen Erfahrungswerten verbunden. Folgerichtig hatten sowohl das IDW als auch die WPK in ihren Stellungnahmen zum RefE die Beibehaltung der materiellen Prüfung des Vergütungsberichts im Rahmen der (Konzern-)Abschlussprüfung explizit befürwortet. Sofern der Aufsichtsrat künftig keine freiwillige materielle Prüfung des Vergütungsberichts durch den Abschlussprüfer durchführen lässt, steht die Entscheidungsnützlichkeit des neuen Publizitätsinstruments in Frage.

Empirische Untersuchungen zeigen überdies für den deutschen Kapitalmarkt, dass die Vergütungsberichterstattung nach DRS 17 und dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) in den vergangenen Jahren erhebliche Qualitätsdefizite aufweist. Künftig müssen Aktionäre auch noch alle vier Jahre das Vergütungssystem von Vorstand und Aufsichtsrat billigen sowie jährlich über den Vergütungsbericht abstimmen. Der Vergütungsbericht wird mithin weiter in den Fokus von (institutionellen) Investoren rücken. Ohne flankierende qualitätssichernde Maßnahmen dürfte der Informationswert der Angaben begrenzt sein. In Zeiten steigender Komplexität von Vergütungsstrukturen und dem Einsatz von externen Vergütungsberatern hat sich auch die Regierungskommission mit der Überarbeitung des DCGK zum Ziel gesetzt, eine höhere Verständlichkeit der Vergütungsberichte zu bewirken. Die Kodexreform schlägt derzeit hohe Wellen im Fachschrifttum. Die Entwurfsfassung des DCGK, z.B. der „Apply&Explain“-Mechanismus, das einheitliche Vergütungsmodell einer variablen, ausschließlich in Aktien bestehenden Langfristvergütung des Vorstands oder der Wegfall der Mustertabellen, wird derzeit im Schrifttum teilweise heftig kritisiert. Insofern bleiben die Organvergütung und ihre Berichterstattung auch in Zukunft ein „Dauerbrenner“ der Corporate Governance. Inwiefern der von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf von unverbindlichen Leitlinien für einen standardisierten Vergütungsbericht vom 01.03.2019 die Wogen glätten wird, bleibt abzuwarten.