DER BETRIEB
Grundsteuer: Das Besondere an Grund und Boden

Grundsteuer: Das Besondere an Grund und Boden

Dr. Norbert Häring

Fläche ist einfach da und muss in der Regel nicht erst produziert werden. Das sollte sich in der Steuer widerspiegeln.

Dr. Norbert Häring
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Es gab Zeiten, da gehörte es zum Grundkanon der Einführung in die Volkswirtschaftslehre, den Studenten beizubringen, was Grundrente ist. Die Zeiten sind längst vorbei, und das rächt sich nun – auch in Form einer Debatte über die Vergesellschaftung von Wohnungseigentum und einer wenig sachgerechten Reformdiskussion in Sachen Grundsteuer.

Bodenwerte als Bemessungsgrundlage

Wenn Finanzminister Olaf Scholz tatsächlich – wie jüngst von Bayern und Teilen der Unionsfraktion diskutiert – bei der Grundsteuerreform den „renitenten“ Bayern per Öffnungsklausel erlauben sollte, ein wertunabhängiges, rein flächenbezogenes Modell umzusetzen, dann wäre das das Gegenteil des steuersystematisch Sinnvollen.

Es wäre gut für die Südländer mit den hohen Bodenwerten: Sie könnten das Geld den eigenen Bürgern lassen, statt es als Steuer einzutreiben und über den Finanzausgleich an andere Länder abzugeben. Aber es ist gerade der Bodenwert, der sinnvollerweise Bemessungsgrundlage der Steuer sein sollte.

Das Besondere an Fläche ist nämlich, dass sie einfach da ist. Abgesehen von Sonderfällen kann und muss sie nicht erst produziert und kann nicht vermehrt werden. Das Gros der Bodenwerte in Deutschland besteht aus Lagerente. Ein Haus oder eine Wohnung in attraktiver Lage in einer Großstadt ist vor allem wegen des hohen Grundstückspreises so teuer. Der Besitzer kann die Attraktivität der Großstadt, für die er nichts tun muss, in Form hoher Mieten für sich reklamieren. Die begriffliche Gemeinsamkeit von Bodenrente und Altersrente besteht darin, dass der Begriff Rente in der Ökonomie leistungsloses Einkommen bezeichnet.

Nur der Kaufwert sinkt bei steigender Steuer

Die Kehrseite ist, dass man Bodenrenten fast beliebig hoch besteuern kann, ohne die sonst bei Steuern üblichen Anreizeffektschäden zu verursachen. Der Boden ist immer noch da und wird bestmöglich genutzt. Nur der Kaufwert sinkt, wenn die Steuer steigt.

Denn mögliche Käufer ziehen die Steuer, die sie als Besitzer werden entrichten müssen, vom Preisgebot ab. Die Nutzung wird sogar verbessert, wenn sich die Steuer nach den erzielbaren Erträgen richtet, nicht nach den tatsächlichen. Denn dann lohnt es sich bei hoher Steuer nicht mehr, Flächen aus spekulativen Gründen ungenutzt zu lassen. Das ist der Hauptgrund, warum das von den Arbeitgebern getragene Institut der deutschen Wirtschaft für eine Bodenwertsteuer eintritt.

Keine abschreckende Wirkung für Investoren

Für Investoren in den Wohnungsbau bedeutet eine reine Bodenwertsteuer anders als die Grunderwerbssteuer und die heutige Grundsteuer, die beide den Bodenwert und den Wert der Gebäude darauf besteuern, keine Verteuerung. Denn er bekommt das Grundstück entsprechend billiger.

Aus diesen Gründen kann eine Steuer auf den Grundstückswert – nicht auf die Gebäude darauf – gar nicht hoch genug sein, wenn dafür in gleichem Umfang die bisherigen Grundsteuern ersetzt und bei höherem Aufkommen andere, anreizschädlichere Steuern gesenkt werden. Aufkommensneutralität sollte also langfristig kein Ziel sein und nicht versprochen werden. Natürlich sollte der Übergang graduell sein, um Grundstückseigentümer nicht zu enteignen, die ihr Grundstück unter altem Grundsteuerrecht teuer gekauft haben.

Vermeidung von Mehrbelastungen bei Mietern

Auch sollte gesetzlich verhindert werden, dass Grundsteuererhöhungen als Nebenkosten auf Bestandsmieter umgelegt werden. Bei Neuvermietungen ist Abwälzung der Grundsteuer auf die Mieter ohnehin nicht effektiv möglich. Denn die Gesamtmiete, die potenzielle Mieter maximal zu zahlen bereit sind, ist unabhängig von der Höhe der Grundsteuer. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vermieter bei Neuvermietung – anders als bei Bestandsmietern – ohnehin verlangen, was der Markt hergibt. Nimmt der Staat mehr, in Form von höherer Grundsteuer, bleibt für sie weniger.

Engpass liegt bei Grundstücken und nicht bei der Investitionsbereitschaft

In den Bodenwert fließen nicht nur die Infrastrukturinvestitionen des Staates ein, sondern auch die vielfältigen steuerlichen und sonstigen Subventionen für Wohneigentum, wie zuletzt das Wohnkindergeld. Langfristig wird dadurch nur der Kaufpreis für bestehende Grundstücke nach oben getrieben, denn die Begünstigten überbieten dank der Subvention andere Interessenten. Mehr Baugrundstücke werden ja wegen des Baukindergelds nicht erschlossen. Hier liegt der Engpass, nicht an der Bereitschaft von Investoren zu bauen.

Auch die Steuerfreiheit der ersparten Miete im eigenen Haus zählt zu den Subventionen, die Grundstückspreise nach oben treiben. Wer im Alter sein zu groß gewordenes Haus vermietet, muss auf die Mieteinnahmen Einkommensteuer zahlen und kann sich deshalb von der Nettomiete vielleicht kaum eine kleinere Alternativwohnung leisten. Also bleibt er. Dadurch wird der Verknappung von Wohnraum Vorschub geleistet. Es ist also nicht nur die Grundsteuer, die mit Blick auf die Besonderheiten des nicht vermehrbaren Faktors Boden reformiert gehört. Auch damit soll jedoch nicht einem Anziehen der Steuerschraube insgesamt das Wort geredet werden, sondern einer Änderung der Steuerstruktur, die das Wohnen verbilligt. Denn aufgrund der steuerlichen Begünstigung selbstgenutzten Wohneigentums steigt die Zahlungsbereitschaft von Selbstnutzern. Sie treiben durch höhere Gebote die Grundstückspreise nach oben. Letztlich kassieren die Grundbesitzer und die Banken, die die höheren Hypotheken finanzieren, die Steuersubvention.

Konzentration von (Grund-)Vermögen

Es gibt noch ein kräftiges Argument für eine hohe Bodenwertsteuer: Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind stark bei den Vermögenden konzentriert. Sie sind es, die besonders von der Explosion der Grundstückspreise, Mieten und Pachten in den letzten 15 Jahren profitierten, ohne etwas dafür getan zu haben. Die heftige Diskussion um die Enteignung großer Wohnungsgesellschaften zeigt, wie problematisch die Umverteilung von unten, von den Mietern nach oben, zu den Grundbesitzern, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist.

Übergangsfristen für selbst genutztes Wohneigentum

Eine Korrektur durch eine Steuer auf den Bodenwert ist daher wünschenswert. Um dabei berechtigten Ärger „kleiner“ Hausbesitzer zu vermeiden, die nicht zu den besonders Begüterten gehören und sich für ein teures Grundstück hoch verschuldet haben, sind großzügige Übergangsfristen für selbst genutztes Wohneigentum angemessen und sinnvoll. So lässt sich verhindern, dass ‚der Oma ihr klein Häuschen‘ zum schlagenden Argument gegen ein faireres und effizienteres Steuersystem wird – zum Vorteil der Reichen und Reichsten im Land.

Ein gängiger Einwand lautet, das mit der Steuerentlastung an anderer Stelle finde sowieso nie statt. Der Einwand klingt eingängig, ist aber in Wirklichkeit nur eine Stammtischparole. Die Steuerbelastung der Großeinkommensbezieher und Unternehmen ist beständig gesunken – um so mehr, wenn man die zunehmende Geldverschiebung in Steueroasen berücksichtigt. Auch dagegen kann man mit Bodenwertbesteuerung gut angehen.