DER BETRIEB
GrESt-Reform 2019: Ein Appell an die Vernunft!

GrESt-Reform 2019: Ein Appell an die Vernunft!

StBin Dr. Janine v. Wolfersdorff

Ein Jahressteuergesetz umfasst typischerweise eine Vielzahl von kleineren, eher unstrittigen Regelungen. Im diesjährigen Sammelgesetz – offizieller Name: Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – ist mit den Regelungen zur Reform des GrESt-Rechts allerdings auch ein Gesetzespaket enthalten, das es in sich hat: Bund und Länder wollen damit gegen ein beliebtes Steuerschlupfloch großer Immobilieninvestoren vorgehen.

StBin Dr. Janine v. Wolfersdorff
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Ziel der GrESt-Reform: Steuerschlupflöcher bei großen Immobiliendeals schließen

Das gesetzgeberische Anliegen ist berechtigt. Durch die Presse gingen zahlreiche Fälle großer Immobilientransaktionen wie etwa der Verkauf des Sony Centers am Potsdamer Platz in Berlin für 1,1 Mrd. €, der grunderwerbsteuerfrei abgewickelt werden konnte. Kleinere Investoren und private Immobilienkäufer ächzen dagegen unter den in Deutschland stetig steigenden GrESt-Belastungen.

Fast drei Jahre lang haben die Länder nun an einem Konzept gearbeitet, das – nach nur knapper Mehrheit in der Finanzministerkonferenz – vom BMF in den RefE des Jahressteuergesetzes 2019 (XQ1304637) aufgenommen wurde. Geplant ist insb.

  • eine Senkung der maßgebenden Beteiligungsschwelle für Share Deals mit Immobilienbesitz in § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG-E von 95% auf 90%,

  • eine Verlängerung der Frist in § 1 Abs. 2a GrEStG-E bei PersGes. von fünf auf zehn Jahre; nach § 1 Abs. 2a GrEStG-E würden demnach künftig Gesellschafterwechsel an PersGes. mit inländischem Grundbesitz i.H.v. mindestens 90% innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren erfasst werden.

  • Außerdem soll ein neuer § 1 Abs. 2b GrEStG-E geschaffen werden, der zu einer entsprechenden Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG-E auf KapGes. führen soll. Danach unterläge bei Übergang von mindestens 90% der Anteile an einer grundbesitzenden KapGes. innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter 100% des Immobilienbesitzes der Gesellschaft der GrESt.

Zielerreichung fraglich bei gleichzeitigen großen Kollateralschäden

Das Ergebnis enttäuscht bereits im Kern, denn die Steuerumgehung gerade bei Großinvestoren und Immobilien-KapGes. wird nicht gezielt adressiert, sie wird höchstens erschwert. Nicht nur vonseiten der Opposition im Bundestag wird der Entwurf insoweit als „nicht gut genug“ kritisiert. Getroffen würden – jenseits von Steuervermeidungsstrategien – auch zahlreiche „normale“ Mittelständler, die z.B. nur eine Betriebsimmobilie besitzen.

Kritisch zu sehen ist insb. die geplante Schaffung des § 1 Abs. 2b GrEStG-E. Mangels entsprechender Meldepflichten könnten gerade börsennotierte Gesellschaften mit viel Streubesitz und ohne stabilen „Ankeraktionär“ von über 10% eine solche Norm gar nicht erst überwachen und erfüllen. Aktionäre müssen bei börsennotierten Emittenten nur melden, wenn sie bestimmte Stimmrechtsschwellen ab 3% – nicht: Aktienpakete – überschritten haben. Volle Transparenz bestünde nur bei vinkulierten Namensaktien.

Würde hilfsweise auf den bloßen Aktienumschlag abgestellt, müssten zahlreiche börsennotierte Gesellschaften demnächst jährlich GrESt auf 100% ihres Immobilienvermögens zahlen. Die Wirkung wäre faktisch diejenige einer Kapitalverkehrsteuer oder gar Substanzsteuer, nicht aber mehr einer Immobilientransaktionssteuer. Dass hiermit noch eine grunderwerbsteuerliche Steuerumgehung adressiert werden soll, ist schwer vermittelbar; politisch wird die Regelung in der jetzigen Form daher nur schwer haltbar sein.

Börsenklausel als Rettungsanker?

Als „Rettungsanker“ für die Einführung von § 1 Abs. 2b GrEStG-E wird politisch eine Börsenklausel innerhalb dieser Norm diskutiert. Das Problem ist allerdings, dass auch eine solche Börsenklausel das Manko des derzeitigen Reformkonzepts nicht löst, dass der Missbrauchsfall – etwa über eine Regelung speziell für Immobilien-KapGes. – eben nicht zielgenau und positiv definiert wird. Die im Hinblick auf Umgehungsfälle zu weit formulierte Regelung würde vielmehr nur mit kleinem „Ausnahme-Pflaster“ versehen.

Bei nicht börsennotierten Gesellschaften sind die Anteile schließlich zwar auch nicht so fungibel wie bei börsennotierten Gesellschaften; 90% neue Gesellschafter innerhalb von zehn Jahren können allerdings leicht auch im Mittelstand bei Anteilsschenkungen im Weg der vorweggenommenen Erbfolge oder bei Umstrukturierungen erreicht werden, bei denen die Konzernklausel des § 6a GrEStG „versagt“.

Deutsche Wohnen künftig begünstigt?

Weder systematisch erklärbar noch politisch vermittelbar ist, dass bei einer Börsenklausel künftig auch börsennotierte Immobilien-KapGes. wie z.B. die Deutsche Wohnen SE – anders als ein Mittelständler der gewerblichen Wirtschaft mit nur einer Betriebsimmobilie – keine GrESt nach dem neuen § 1 Abs. 2b GrEStG-E zahlen müssten. Um es noch plastischer zu machen: Dass gerade auch – über die Börse – kurzfristig und spekulativ mit Aktien einer Immobilien-KapGes. gehandelt wird, würde einen grunderwerbsteuerlichen Ausnahmetatbestand begründen.

Beihilferechtliche Risiken

Ein „Pflastern“ ausufernd gefasster Antimissbrauchstatbestände kann dem Gesetzgeber – und den vermeintlich ausgenommenen Unternehmensgruppen – nicht zuletzt schließlich auch beihilferechtlich auf die Füße fallen: Ausgenommen von der neu geplanten Regelung sind zum einen (Wohnungs-)Genossenschaften. Sozial- und wohnungspolitisch motiviert lässt sich das erklären, ob dies jedoch auch beihilferechtlich als Rechtfertigung trägt, ist eine andere Frage. Und dass durch eine mögliche Börsenklausel Doppel- und Mehrfachbesteuerungen sowie Vollzugsschwierigkeiten auch bei Immobilien-KapGes. und selbst bei vinkulierten Namensaktien vermieden würden, nicht aber bei außerbörslichen gewerblichen Unternehmen mit weniger fungiblen Anteilen, vielen Gesellschaftern und nur einer Betriebsimmobilie, ergibt sich jedenfalls nicht offenkundig aus der „Natur oder dem inneren Aufbau des Steuersystems“.

Ein Appell an die Politik

Was bleibt? Der Appell an die Politik, ein „gutes Gesetz“ auf den Weg zu bringen, mit dem über eine zielgenaue positive Missbrauchsregelung die Richtigen und nicht die Falschen belastet werden. Hohe Komplexität, beihilferechtliche Risiken und revolvierende GrESt-Zahlungen sollten unbedingt vermieden werden.