DER BETRIEB
US-Steuerpläne bedrohen den globalen Handels- und Steuerfrieden

US-Steuerpläne bedrohen den globalen Handels- und Steuerfrieden

Prof. Dr. Christoph Spengel / Prof. Dr. Friedrich Heinemann

Prof. Dr. Christoph Spengel
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Prof. Dr. Friedrich Heinemann
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Derzeit sorgen die USA auch steuerpolitisch für Aufsehen, sie favorisieren eine „destination based cash flow tax“ (DBCFT). Danach werden Bestimmungslandprinzip und Cash-flow-Besteuerung miteinander kombiniert. Die DBCFT verabschiedet sich vom Grundprinzip der Unternehmensbesteuerung, Gewinne in dem Land zu versteuern, in dem die Produktion stattfindet. Stattdessen erfolgt der Steuerzugriff ausschließlich dort, wo Güter und Dienstleistungen nachgefragt werden, d.h. im Marktstaat bzw. Bestimmungsland. Gemäß einer Cash-flow-Steuer sind die laufenden Produktionskosten einschließlich der Kosten für Wirtschaftsgüter im Produktionsland sofort vollständig absetzbar. Die Steuerbasis der DBCFT wären damit die Umsätze abzüglich der Lohnsumme sowie Aufwendungen weiterer Vorleistungen.

Darstellung der Auswirkungen irreführend

Im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr wären alle im Export erzielten Umsätze US-amerikanischer Unternehmen steuerfrei. Umgekehrt würden alle Importe in den USA steuerpflichtig und einem Grenzausgleich unterworfen, der sog. „Border Adjustment Tax“ (BAT) in Höhe des neuen Unternehmenssteuersatzes (im Gespräch sind 20%). Vordenker der DBCFT verweisen auf die bestechenden theoretischen Eigenschaften eines solchen Systems, wenn es international koordiniert eingeführt würde. Sie argumentieren, dass heutigen Strategien zur Steuervermeidung der Wind aus den Segeln genommen und der Steuerwettbewerb aufgrund der geringen Mobilität des Konsums entschärft würde, da die Besteuerung ausschließlich im Bestimmungs-/Konsumland erfolgte.

Diese theoretisch fundierten Aussagen führen aber mit ihren Verharmlosungen in die Irre. Denn unter den real existierenden Friktionen wird die DBCFT Handelsströme, Investitionen und Steueraufkommen massiv verzerren. Dass Europa den USA bei einer DBCFT folgen könnte, ist ausgeschlossen. Innerhalb der Eurozone würden unterschiedlich hohe Grenzabgaben zu massiven Handelsbeeinträchtigungen führen, die aufgrund der Einheitswährung nicht durch Wechselkursanpassungen ausgleichbar sind. Aufgrund der Besteuerung der Importe und der Steuerfreiheit der Exporte würden zudem jene Länder große Steuerausfälle erleiden, die wie Deutschland einen Leistungsbilanzüberschuss aufweisen. Dies würde diese Überschussländer dazu zwingen, höhere Steuersätze einzuführen als Defizitländer.

Massive Auswirkungen auf den Export in die USA

Wenn die DBCFT kommt, wird sie ein US-Alleingang. Das Steuersystem der USA würde damit zum Fremdkörper in der globalen Unternehmensbesteuerung. Massiv getroffen durch die BAT wären Unternehmen, die in die USA für den dortigen Endverbrauchermarkt exportieren. Ihre Exportgewinne unterliegen im jeweiligen Ansässigkeitsstaat weiterhin der herkömmlichen Gewinnbesteuerung, zudem würden die Brutto-Ausfuhrumsätze in voller Höhe dem US-Grenzausgleich unterworfen. Eine Dollar-Aufwertung würde eine Doppelbesteuerung nicht ausgleichen können, denn die BAT wäre nach heutigen Prinzipien nicht auf Gewinnsteuerzahlungen anrechenbar. Es entstünden starke Anreize, Produktion in die USA zu verlagern, um der BAT zu entkommen und außerdem von der Absetzbarkeit der in den USA gezahlten Löhnen zu profitieren. Aus Sicht eines EU-Staats wäre die Steuerbelastung für ein exportierendes US-Unternehmen gleich null, da ein nach Europa exportierendes US-Unternehmen weder in den USA noch in Europa besteuert würde.

Hinzu kommt, dass eine DBCFT in den USA politischen Wiederstand erzeugt. Einzelhandelsunternehmen wie Walmart werden massiv getroffen aufgrund ihrer Inlandsumsätze und hoher Importquoten. Auch dürften diese mit Erfolg auf drohende Nachteile für die Konsumenten verweisen, für welche der Grenzausgleich die Preise importierter Konsumgüter um 20% verteuern würde. Im Gesetzgebungsverfahren ist deshalb mit Klauseln und Ausnahmen zu rechnen, die weitere Verzerrungen mit sich bringen werden.

Schon heute weicht der US-Plan einer DBCFT von der Theorie ab: Reine Exportunternehmen werden typischerweise aufgrund der Steuerbefreiung von Exporten und der Absetzbarkeit der Lohnsumme Verluste ausweisen, welche unmittelbar zu einer Steuererstattung führen müssten. Die Pläne sehen jedoch keine unmittelbare Erstattung, sondern nur Verlustvorträge vor, die letztendlich abzuschreiben wären.

Fazit

Das Fazit lautet: Setzen sich in den USA tatsächlich die Befürworter der DBCFT durch, dann ist dies eine Steuer-Revolution. Diese Revolution würde auf lange Jahre kein neues stabiles und handelsfreundliches internationales Steuer- und Investitionssystem schaffen. Die schockartigen Wirkungen auf die Handelspartner der USA dürften vielmehr die internationale Besteuerung in ein Chaos führen, den Standortentscheidungsprozess von Unternehmen auf den Kopf stellen und vermutlich massive protektionistische Abwehrreflexe von anderen Staaten auslösen. Weltweit offene Märkte für Güter, Dienstleistungen und Kapital wären bedroht.